Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
vieles«, lächelt er vieldeutig. »Du musst Geduld haben und Ausdauer.«
Sein jüngerer Gegenspieler im halb leeren Parlament von Indianapolis kann nach der Sitzungseröffnung tags darauf erneut nur die Beschlussunfähigkeit feststellen und ist entsprechend grimmig, als unsere Kamera dort durch den Saal schwenkt. »Uns bleiben noch zwei Mittel, um die Abtrünnigen wieder zur Vernunft zu bringen«, sagt er mir, »eine öffentliche Rüge oder Geldstrafen.«
Oder ein Kompromiss, wenden wir ein. Nur mit wem, fragen wir die Abgeordneten, wenn einem die Opposition abhandenkommt?
»In einer Demokratie hat jeder auch das Recht, gegen etwas zu sein«, belehrt mich da ein Republikaner-Senior. »Leider ziehen es unsere demokratischen Kollegen vor, dabei die Hotelwirtschaft im Nachbarstaat Illinois zu unterstützen.«
Ob man denn Ortskenner sein müsse, um das zu verstehen, frage ich weiter.
»Nein, Sie müssen nur Demokratie verstehen«, entgegnet er schnippisch.
Aber die hätten wir Deutschen auch, antworte ich. Trotzdem fliehe die Opposition nicht über die Grenze.
»Noch nicht«, lacht er nun. »Vielleicht lernt ihr das ja jetzt von uns.«
Tatsächlich sind auch die Republikaner angespannter, je länger die Zwangspause sie mit blamiert. In den Wandelhallen haben sich längst Schaulustige versammelt, um das ratlose Restparlament zu sehen. Manche schießen Fotos. Dazu kommen die Dauerproteste der Staatsdiener, die den neuen Hardlinern in Wisconsin, Ohio und Indiana derart kämpferisch entgegentreten, dass sie bereits die nationalen Nachrichten füllen. Auch in Washington beobachten die Parteistrategen aufmerksam die Kraftproben. Führende Demokraten ziehen schon allzu kühne Parallelen zum Volksaufstand in Ägypten gegen den starrsinnigen Diktator Mubarak. Obwohl auch sie wissen, dass ohne glaubwürdigen Sparkurs das Land kaum noch zu retten ist.
»Wer sehen will, wie man parteiübergreifend den Haushalt saniert, kann das von unserer Stadt lernen«, sagt uns schließlich Urbanas Bürgermeisterin Laurel Lunt Prussing, die wir als Letzte besuchen. »Wir haben das in Ruhe gemacht und gemeinsam, in kleinen, vernünftigen Schritten. Schon vor Jahren fingen wir damit an, als es noch nicht so wehtat.«
Ob die Exilanten aus Illinois vorab um Aufnahme gebeten hätten, frage ich. »Wir haben eine lange Tradition als Fluchtburg«, schmunzelt sie da, »wenn auch bislang eher für Menschen aus Drittweltländern. Aber wir sagten im Stadtparlament gleich, Politiker aus Indiana sind uns natürlich ebenfalls willkommen.«
Dann weist sie uns auf die zahlreichen Gedenkbüsten für den Republikaner Abraham Lincoln hin, die sowohl in Illinois als auch in Indiana an ihn erinnern. »Sie wissen es vermutlich nicht, aber Lincoln hat als junger Abgeordneter ebenfalls einmal auf Fluchttechniken zurückgegriffen.« Um den Demokraten, die damals schon weitsichtig die Saaltür des Parlaments abgeschlossen hätten, noch ihre Mehrheitsentscheidung zu verderben, sei er kurzerhand aus dem Fenster gesprungen – und mit ihm die Beschlussfähigkeit.
»Er fiel nicht tief, denn die Abgeordneten tagten fast ebenerdig«, lacht sie. »Danach aber verlegte der Parlamentschef die Sitzungen ein Stockwerk höher.«
Kein Deal an Loch 18
Im Frühsommer versuchen die Kontrahenten Boehner und Obama, die faktisch nun das Land gemeinsam lenken, den Schulterschluss. Denn trotz allen Pulverdampfs, den sie verbreiten, wissen beide längst, dass sie im gleichen Boot sitzen. Beide wollen aus der Krise führen, ohne selbst Schaden zu nehmen. Der eine muss das Land zusammenhalten, der andere den Kongress und seine zerstrittene konservative Partei. Und beide brauchen einander, denn wirkliche Erfolge wird es bis auf Weiteres, das ahnen sie, nur miteinander geben.
Bald erregen Bilder von Obama und Boehner Aufsehen, die sie gemeinsam auf dem Golfplatz zeigen. Schon erwarten manche in Washington, dass sie sich nun auch in der Tagespolitik näherkommen oder gar an einer großen Lösung für das Schuldenproblem feilen, obwohl Regierungssprecher Jay Carney Hoffnungen vorab gedämpft hat: »Rechnen Sie mal nicht damit«, hatte er den Korrespondenten im Weißen Haus gesagt, »dass an Loch 18 ein Deal fertig ist.«
Der Fototermin der beiden Staatslenker im sportlichen Dress, gemeinsam entspannt, sollte jedoch genau jene Erwartung wecken. Als Boehner, der die Einladung des Präsidenten zur Golfpartie kaum ausschlagen konnte, wegen so viel Nähe zu Obama bei seinen
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