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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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bereit, wie mir Robert bald zeigt. Auf seinem Motorschlitten nimmt er mich mit hinaus ins Eis, wo er von früh bis spät seine Fangschnüre an ein paar Wasserlöchern überwacht. Nicht in Käfigfallen wie in Maine fängt man hier Krebse, sondern wartet stoisch, bis sie sich an Fischködern festklammern, die an die Schnur geknotet sind. »Manchmal hält sich der Krebs unten an Steinen fest, dann muss man sehr gefühlvoll ziehen, damit man ihn nicht verliert«, erklärt mir Robert, der mit blanken Fingern die Spannung der Schnur prüft und zudem noch Eisstücke aus dem Wasser herausgreift, um bessere Sicht zu haben.
    Dabei haben wir fast 30 Grad Kälte. Als ich es einmal versuche, schmerzen schon nach Sekunden ohne Handschuhe die Finger. Außerdem scheint sich der Krebs mit all seinen Beinen am Grund festzuklammern, während er den Fisch genießt. Jedenfalls ziehe ich nie etwas Gewichtiges hoch.
    »Was machst du, wenn er den Köder immer wieder loslässt?«, frage ich Robert.
    »Geduld haben«, lacht er.
    »Ich wäre hier längst verhungert«, grummle ich und gebe auf.
    In ihrer Hütte zeigt mir Dorfsprecherin Frances Ozanna Fotos vom Sommer auf der Insel. Darauf sind Pfade zu erkennen, die den Hang hinaufführen, bis er an einer Plateaukante endet. »Dort oben wachsen wilde Kartoffeln und Zwiebeln, Kräuter und Beeren«, sagt sie. »Die Natur ernährt uns. Du kannst hier leben, auch ohne Versorgungsflüge.«
    »Wie trefft ihr im Ort Entscheidungen?«, frage ich Frances.
    »Wir versammeln uns von Zeit zu Zeit und stimmen ab, über Fragen der Schule, der Landepiste, der gemeinsamen Jagd.«
    Walrosse, Robben, Bären und Kleinwale kämen zwischen den Inseln durch, bestätigt Robert. Und der Dorfälteste, Patrick Omiak, der Ende 70 ist, erinnert sich noch daran, dass ihre Vorfahren im Winter stets zwischen den beiden Inseln hin und her gewandert seien. »Drüben konnte man besser die Belugawale jagen«, sagt er. »Alles haben die Inselbewohner miteinander geteilt. Doch dann kam der Kalte Krieg, und die Großmächte machten die Grenze dicht. Die Russen räumten das Dorf auf Groß-Diomedes und siedelten die Bewohner nach Sibirien um. Seitdem ging keiner mehr von uns hinüber. Sie haben Wachposten dort, die dich beobachten, rund um die Uhr.« Dazu hebt er beschwörend die Hände.
    Ob das wirklich stimmt, wollen wir lieber nicht herausfinden, obwohl die Schwesterinsel nur einen Steinwurf entfernt scheint. Zudem verdichten sich erneut die Wolken, und es beginnt zu schneien. In der Nacht beginnt ein Sturm um Dorf und Inseln zu fegen, der unseren Rückflug für Tage unmöglich machen wird. Zuerst wegen der schlechten Sicht, dann weil die Piste erst mühselig vom Neuschnee befreit werden muss. Bis dahin führen die Dörfler uns Trommeltänze vor, in denen sie die Bewegungen von Meerestieren imitieren. Dazu fängt die Kameracrew faszinierende Bilder ein von Schneeschleiern über dem Packeis, in denen sich das erste Licht bricht. Und Robert erzählt vom einzigen Wiedersehen, das es zwischen den getrennten Inuit je gab.
    »Es war in den späten Sechzigern oder frühen Siebzigern«, schildert er uns. »Da kamen sie einmal aus Russland zurück, und wir trafen uns mitten auf dem Eis, tauschten Geschenke aus und schossen mit unseren Gewehren in die Luft. Da hatten wir kurz eine gute Zeit.«
    Er glaube weiterhin, dass die beiden Inseln zusammengehörten, sagt er leise. »Die Russen haben uns einen Teil weggenommen, obwohl wir ein Volk waren, Familien und Verwandte. Bis uns der Eiserne Vorhang getrennt hat.«
    Sätze, die ich als junger Berlin-Reporter wortgleich auch von Deutschen hörte. Hier, im Niemandsland der Beringstraße, klingen sie, als habe die Geschichte die Inuit vergessen.
    Unpolitisches Amerika?
     
    Annähernd zwölf Stunden, ohne die Zwischenstopps, dauert mein Rückflug nach Washington. In der gleichen Zeit kann man von Frankfurt nach Jakarta reisen, über ganz Europa und Asien hinweg. Wollte einer all die Regionen, die man bis dorthin überfliegt, zugleich regieren, man würde ihn für verrückt erklären.
    Auch wenn die USA weit mehr verbindet als Europa und Asien: Die Fliehkräfte der Bundesstaaten, mit denen ein US-Präsident rechnen muss, die Klüfte zwischen Provinz und Metropolen, zwischen Superreich und Bitterarm, Weißen, Schwarzen, Latinos und Ureinwohnern, Mehrheiten und Minderheiten, sind größer als in Gesellschaften, an denen wir Berichterstatter gewöhnlich Maß nehmen.
    Wie sollte die Politik aussehen,

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