Wahnsinn
vor.
Im Juli 1986 nahmen sie eine ganze Woche Urlaub und flogen in einen Ferienclub auf Jamaika, wo alberne Haifischzähne aus Plastik als Zahlungsmittel dienten. Dort aalten sie sich in der Sonne, tranken Piña Coladas und einen mörderischen Rumpunsch, flohen vor den alltäglichen, zehnminütigen Regengüssen, die alles durchnässten, tanzten jeden Abend, genossen die wunderbare Inselküche unter freiem Himmel und hatten Sex. Und am Ende dieser Woche, in einer Sternenlosen, mondlosen Nacht auf der Terrasse ihres Hotels, machte er ihr einen Heiratsantrag.
Sie nahm nicht sofort an. Es kam nicht infrage, dass er das Restaurant in New Hampshire aufgab. Und ihr fiel der Gedanke schwer, dass sie ihre Freunde und ihren Job in Boston für eine Wochenendbeziehung aufgab, die sie in erster Linie über Telefongespräche kannte. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, wieder zu heiraten, auch wenn sie diesen Mann so sehr ins Herz geschlossen hatte. Sie hatte sich fast, allerdings noch nicht ganz, in ihn verliebt.
Sie rief sich ins Gedächtnis, wie sie in Jim verliebt gewesen war.
Und das war in einer Katastrophe geendet.
Liebe war nicht zwingend erforderlich.
Im September willigte sie schließlich nach ein paar Drinks im Caves ein. Nach ziemlich vielen Drinks. Genug, um sich in Zukunft hin und wieder zu fragen, ob bei ihrer Entscheidung nicht der Alkohol den Ausschlag gegeben hatte. Doch da hatte sie bereits bestimmte Seiten an ihm kennengelernt, von denen sie bis dato keine Ahnung gehabt hatte. Seiten, die sie ganz sicher davon abgehalten hätten, Arthur Danse zu heiraten, wenn sie früher davon gewusst hätte. Ganz egal, wie viele Margaritas sie an dem Abend getrunken hatte.
Bald wusste sie über die Waffen Bescheid. Und über die Sache mit seinen Eltern. Und über die Sauftouren.
Und sie wusste, dass das Unausweichliche eingetreten war, dass er ihr trotz alledem etwas bedeutete. Manchmal war sie der Überzeugung, dass man sich in jeden Menschen verlieben konnte, wenn man nur lange genug mit ihm zusammenlebte, um ihn gut genug kennenzulernen. Sie bemerkte seine Schuldgefühle, wenn er getrunken hatte. Sie bemerkte die tiefe, beinah kindliche Abhängigkeit von seinen Eltern – besonders von seiner Mutter. Sie bemerkte, dass Schusswaffen für ihn eine Art Status- und Machtsymbol waren. Und fragte sich, warum er das nötig hatte.
Doch bei alledem bezweifelte sie, dass er sich sonderlich von anderen Männern unterschied.
Zumindest am Anfang.
Alles änderte sich, als ihr Baby kam. Ihr Sohn Robert.
Ihr einziges Kind.
7
Coming-out
Plymouth, New Hampshire ∙ September 1987
Er betrachtete sie, wie sie im Bett las.
Die Nacht war für die Jahreszeit zu mild, so dass sie das Schlafzimmerfenster geöffnet und die Bettdecke aufgeschlagen hatte und nun in dem grünen Seidennachthemd, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, auf dem Bettlaken lag. Das Nachthemd war vorne tief ausgeschnitten und fiel an den dünnen Trägern tief über den Rücken. Es war glatt und weich. Seiner Frau gefielen hübsche Dinge und ihm gefiel es, sie ihr zu schenken. Ihr Körper war nach der Geburt des Babys rasch wieder ziemlich ansehnlich geworden, obwohl sie nichts dafür getan hatte. Manche Frauen waren so veranlagt, vermutete sie. Sie hatten Glück.
Sie hatte Glück.
Und ob sie Glück hatte.
Ihre Nippel waren vom Saugen des Babys geschwollen und ihre Farbe war von einem blassen zu einem sehr viel dunkleren Braun gewechselt, aber das und der Umstand, dass ihr ganzer Körper irgendwie weicher und üppiger geworden war, waren das Einzige, was sich an ihr verändert hatte. Sie war immer noch die Frau, die jeder Mann begehrte und jede andere Frau zur Freundin haben wollte.
Diese neue Sanftheit machte sie für ihn umso anziehender. Er wollte sie jetzt fast ständig berühren und festhalten.
Er duschte lange und ausgiebig. Das Wasser war so heiß, dass er es gerade noch aushalten konnte.
Er rasierte sich zum zweiten Mal an diesem Tag und sah sich in dem beschlagenen Spiegel über die Schulter nach ihr um.
Sein Schwanz unter den Boxershorts war jetzt schon steif.
Was er sich früher woanders geholt hatte, wollte er neuerdings mehr und mehr zu Hause.
Schon irgendwie komisch.
Vielleicht hatte er zu viele Meilen mit dem Wagen heruntergerissen und war über zu viele Straßen an zu viele Orte gefahren. Auf »Geschäftsreisen«, um »Vorräte und Gerätschaften« für das Restaurant zu besorgen oder um mit »potenziellen Geschäftspartnern«
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