Wahnsinn
geht’s dir, Robby?«
»Gut.«
Der Junge schaute kaum von seinem Gameboy auf.
»Was macht die Schule?«
»Okay.«
»Nur okay?«
»Ich habe wieder eine Eins in Rechtschreiben.«
»Gut. Sehr gut.«
Er setze sich neben ihn auf die Couch – in gebührendem Abstand –, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände.
»Ist ziemlich hart, was?«
»Hm?«
»Wir beide sehen uns nicht mehr sehr oft, oder? Nicht so wie früher.«
»Nein …«
Robert runzelte die Stirn, seufzte und konzentrierte sich. Offensichtlich hatte er gerade Schwierigkeiten mit den Super Mario.
»Robert, leg den Gameboy mal für einen Moment weg, ja?«
Der Junge schaltete das Gerät aus, behielt es aber in der Hand. In beiden Händen. Als ob er sich daran festklammern würde, dachte Andrea. Ich glaube, er hat Angst vor ihm.
»Du weißt, dass ich dich sehr lieb habe, oder?«, fragte Arthur.
Robert nickte.
»Und du weißt auch, dass ich nur das Beste für dich will.«
Robert nickte wieder, diesmal langsamer. Als wüsste er nicht so recht, worauf sein Vater hinauswollte. Arthur sah ihn einen Moment lang an, als würde er seinerseits angestrengt über etwas nachdenken, dann fuhr er fort.
»Verstehst du, das ist der Grund, warum deine Mom und ich … warum wir streiten … das ist so, weil … ach, Herrgott nochmal! « Er wandte sich Andrea zu und warf die Arme in die Luft.
Niedrige Reizschwelle, dachte sie. Aalglatt, aber leicht auf die Palme zu bringen.
»Hören Sie«, sagte er. »So geht das nicht! Wie soll ich ein persönliches Gespräch mit meinem Sohn führen, wenn Sie dabei sind? Könnten Sie sich mit Ihrem Kind unterhalten, wenn ich im selben Zimmer sitze? Sie sind eine Wildfremde, um Himmels willen!«
»Ich habe keine Kinder, Mr. Danse. Und genau genommen bin ich für Robert keine Fremde.«
»Sie wissen genau, was ich meine. Theoretisch. Hören Sie, ich habe meinen Sohn seit Wochen nicht gesehen. Könnten Sie nicht wenigstens so freundlich sein und uns mal kurz allein lassen? Nur ein paar Minuten?«
»Ich fürchte, nein. Das ist eine gerichtliche Anordnung.«
»Fünf Minuten?«
»Tut mir leid.«
»Fünf verfickte Minuten ?«
Sie bemerkte, wie Robert bei dem Kraftausdruck zusammenzuckte. Es war nicht zu übersehen. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Danse den Jungen jemals geschlagen hatte. Oder ihn sonst wie eingeschüchtert hatte. Das würde erklären, weshalb er nicht reden wollte. Aber sie hatte Robert diese beiden Fragen längst gestellt und lediglich Kopfschütteln als Antwort erhalten.
»Ich möchte Ihnen mal etwas erklären, Mr. Danse. Es ist sehr wichtig, dass Sie immer daran denken, dass ich, bis in diesem Fall ein Urteil gefällt wurde, Roberts gesetzlicher Vormund bin. Ich bin dazu da, die Anordnungen des Gerichts umzusetzen und dafür zu sorgen, dass Roberts Rechte von jedermann in seinem Umfeld respektiert werden. Und Sie haben nicht das Recht, Robert allein zu sehen, das Gericht hat Ihnen dieses Recht aberkannt. Haben Sie das verstanden? Es tut mir leid, aber so ist die Rechtslage.«
»Das ist doch Bullshit. «
Er stand auf und griff nach Roberts Hand.
»Komm«, sagte er, »wir gehen. Wir verschwinden von hier. Ich bin dein Vater und wenn ich sage, dass wir gehen, dann gehen wir!«
Robert sah zuerst sie an, dann ihn. Er schien nicht zu wissen, was er tun sollte.
Aber die Hand seines Vaters nahm er nicht.
Sie fragte sich, warum der Mann so hartnäckig war. Was genau wollte er dem Jungen denn unbedingt sagen?
»Mr. Danse.«
»Ich bin sein Vater!«
»Mr. Danse, kann ich Sie mal einen Moment unter vier Augen sprechen?«
»Nein, Sie können mich, verdammt nochmal, nicht einen Moment unter vier Augen sprechen! Nicht, solange ich nicht mit meinem eigenen Sohn sprechen kann!«
»Dann hören Sie mir jetzt gut zu – wenn Sie sich mit Robert auch nur einen Schritt aus diesem Büro entfernen, bringe ich Sie schneller ins Gefängnis, als Sie sich vorstellen können. Es tut mir leid, dass ich Ihnen das vor Robert sagen muss, aber Sie lassen mir keine andere Wahl, und ich rate Ihnen dringend davon ab, es darauf ankommen zu lassen. Ich rate Ihnen sehr, sehr nachdrücklich davon ab.«
Sie sah, wie der Mann klein beigab. Ein Anblick, der ihr durchaus gefiel.
»Wir sehen uns, Robert«, sagte er leise. »Es tut mir leid, dass wir nicht …«
»Klar, Dad. Ist schon okay.«
Er wandte sich wieder seinem Gameboy zu.
Danse warf ihr noch einen Blick zu, dann öffnete er die Tür und ging hinaus.
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