Wahnsinn
sein, als sie an dem Abend zu Ihnen nach Hause kam?«, fragte Wood.
»Ja, sie war wütend, ich würde sogar sagen, sie war zutiefst erschüttert.«
»Würden Sie sagen, dass sie ihre Wut unter Kontrolle hatte?«
»Einspruch. Unzulässige Mutmaßung.«
»Ich lasse die Frage zu.«
»Ja. In Anbetracht der Umstände.«
»Aber Sie kannten die Umstände zu dem Zeitpunkt doch noch gar nicht, oder?«
»Nein.«
»Wussten Sie, wo sie hinwollte, als sie Ihr Haus an jenem Abend verließ?«
»Sie sagte, sie müsste auf der Stelle mit Arthur reden.«
»Aber sie sagte Ihnen nicht, warum?«
»Ich habe nicht gefragt.«
»Sie ist Ihre beste Freundin, und Sie haben sie nicht gefragt?« Er machte ein ungläubiges Gesicht.
Cindy lächelte. »Beste Freundinnen wissen, wann man lieber nicht fragt, Mr. Wood – deshalb bleiben sie ja beste Freundinnen. Aber ich bin sicher, ich sage Ihnen damit nichts Neues.«
Mrs. Youngjohn erwies sich als weniger standfest. Obwohl sie wie für den Anlass geschaffen schien – in mittleren Jahren, ein bisschen mollig, Brille, ein unauffällig gemustertes, in der Taille gegürtetes Baumwollkleid. Sie sprach selbstbewusst und mit Nachdruck, als sie dem Gericht von Lydias Gewohnheit berichtete, in Hinblick auf die Probleme ihres Sohnes sehr engen Kontakt mit ihr selbst und Roberts übrigen Lehrern zu pflegen. Allerdings waren es genau diese Probleme, die Wood schließlich gegen sie ins Feld führen konnte.
»Er stottert, sagen Sie?«
»Ja. Er hat Mühe, die Wörter richtig herauszubringen.«
»Und er ist deshalb in Behandlung?«
»Ja. Wir haben eine Sprachtherapeutin an der Schule, die mit ihm arbeitet.«
»Sie wissen, dass er Doktor Bromberg, einen Psychotherapeuten, besucht?«
»Ja.«
»Und dass er schüchtern ist?«
»Ja.«
»Aber er arbeitet in der Schule gut mit.«
»Ja.«
»Können die anderen Kinder ihn gut leiden, Mrs. Youngjohn?«
»Oh, Robert ist ein sehr netter Junge.«
»Da bin ich mir sicher – aber danach habe ich nicht gefragt. Als Lehrerin, die seit – wie lange? – zweiundzwanzig Jahren im Schuldienst ist, wissen Sie sicher, wie grausam Kinder sein können. Ich meine, er stottert, er ist schüchtern, er ist wegen allen möglichen Problemen in Therapie. Er ist anders. Ein Außenseiter. Wird er auch so behandelt?«
»Robert hat Freunde.«
»Aber er wird gehänselt, richtig?«
»Nun, ja, er wird auch gehänselt.«
»Wird er auch gehänselt, weil er Windeln trägt?«
Sansom war sofort auf den Beinen. »Einspruch! Irrelevant. Es ist nicht klar, worauf die Verteidigung damit hinauswill.«
»Wenn Sie mir ein wenig Zeit geben, Euer Ehren, werde ich Ihnen zeigen, worauf ich damit hinauswill.«
»Ich lasse die Frage zu – fürs Erste. Die Zeugin soll antworten.«
»Ich … ich wusste gar nicht, dass er eine Windel trägt, Mr. Wood.«
»Er muss jeden Abend, bevor er ins Bett geht, eine Windel anziehen, Mrs. Youngjohn. Ich bin überrascht, dass Sie das nicht wissen. Wo Sie und Mrs. Danse doch bei allen Schwierigkeiten, die Robert hat, so eng zusammenarbeiten.«
»Einspruch. Die Verteidigung schweift vom Thema ab.«
»Stattgegeben.«
»Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum Mrs. Danse Ihnen nicht gesagt hat, dass Robert eine Windel trägt?«
»Eigentlich nicht, nein. Es sei denn, sie war der Meinung, das könnte ihm irgendwie peinlich sein.«
»Und würden Sie sagen, dass diese Information für Sie wichtig gewesen wäre, um seine Probleme besser zu verstehen? Abgesehen von den peinlichen Situationen, die daraus hätten entstehen können?«
»Vielleicht. Ich bin mir nicht sicher.«
Lydia nahm eine sensible Seite an der Frau wahr, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Offenbar war sie eingeschnappt, weil Lydia sie nicht eingeweiht hatte. Woods nächste Frage bewies, dass ihm dieser Umstand nicht entgangen war.
»Was halten Sie davon, dass Mrs. Danse Ihnen nichts gesagt hat? Ich frage Sie nach Ihrer persönlichen Meinung: Was halten Sie jetzt von Mrs. Danses Zuverlässigkeit, ihrer Kooperationsbereitschaft? Ändert das irgendetwas für Sie?«
Mrs. Youngjohn begriff, worauf er abzielte, und bekam sich Gott sei Dank wieder unter Kontrolle. Doch Lydia befürchtete, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Von einer Leumundszeugin erwartete man natürlich, dass sie sich ohne Einschränkung für die betreffende Person aussprach.
»Ich habe dazu keine persönliche Meinung«, antwortete sie. »Dazu müsste ich erst einmal mit Mrs. Danse
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