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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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sagen: intim. Und was den Geschmack angeht – wie ein |177| junger Mann an dieser Frau Schönberg etwas finden kann –«
    Altenberg löffelt. Das Mark erinnert ihn an die Wangen seiner jungen Freundinnen, der Elf- und Zwölfjährigen, und raubt ihm das Interesse an Tischgesprächen.
    »Wahrscheinlich«, sagt der Mann mit Billardkugelkopf neben der Dame, »hat er keine Lust auf eine Bleikur. Und Salvarsan bringt es ja auch nicht, heißt es. Bei der steckt er sich bestimmt nicht an.«
    Altenberg löffelt ungerührt weiter, während die Frage diskutiert wird, ob die Affäre mit einer wenig attraktiven Ehefrau und Mutter wirklich vor Syphilis bewahre.
    »Da könnte er sich auch eine von den Huren im Séparée kaufen. Es heißt doch, die trügen geschlossene Unterhosen und zögen sie nicht aus«, meint der junge bartlose Mann neben Frau Waerndorfer, der den bleichen Mädchen auf den Gobelins ähnelt wie ein Zwillingsbruder und auch noch auberginefarbenen Samt zu grauen Hosen trägt. »Da passiert ihm bestimmt nichts.«
    Die möglichen Ängste vor Ansteckung beschäftigen die gesamte Runde, von Altenberg abgesehen.
    Der Älteste am Tisch meint, dieser Kerl könne sich ja auch an diese Komtesse Mizzi wenden, die Stieftochter vom Grafen Marcel Veith und jüngste Lebedame der Stadt, gerade erst fünfzehn. »Die läßt die Männer auch vor dem Eingang verhungern – und vom Fingern, da holt sich keiner was.«
    Die Dame im Reformkleid zuckt zusammen. »Sprechen Sie aus Erfahrung?« fragt sie.
    Altenberg schnauft und zieht unauffällig den nicht aufgegessenen Teller seiner Tischnachbarin zu sich herüber.
    |178| Erst nachdem das Dienstmädchen die Teller abgetragen hat, blickt Altenberg auf und erkundigt sich, was das eigentlich alles noch mit diesem Gerstl zu tun habe.
    Prompt engt sich die Diskussion auf den Maler ein, obwohl ihn, außer Altenberg, keiner zu kennen scheint. Gerüchte und Mutmaßungen zu diesem Mann kann aber fast jeder aus dem Ärmel ziehen.
    »Ich vermute, der Doktor Freud würde bei ihm etwas Ähnliches diagnostizieren wie bei unserem Hofoperndirektor«, meint ein kleinwüchsiger Gast mit dem Kopf eines greisen Kinds.
    »Nein, da irren Sie. Wenn der Mahler ein Problem hat, rennt er auf einen Berg, aber bestimmt nicht in die Berggasse«, sagt die Billardkugel.
    »Sollte er aber«, meint das greise Kind.
    »Also, was würde bei ihm diagnostiziert werden?« Frau Waerndorfer sitzt madonnengleich da. Ihr weißes glattes Gesicht glänzt in Unschuld.
    »Ach, er sucht eben seine Mutter.«
    »Die Alma? Na, das ist eine saubere Mutter«, sagt die im Reformkleid, »neunzehn Jahre jünger.«
    Das greise Kind lächelt. »Wenn das mit dem Mutterkomplex so übersichtlich wäre, Gnädigste, bräuchten wir den Doktor Freud nicht. Aber sie ist es trotzdem, die ihn füttert und stillt und wickelt, unseren genialen Mahler, und für ihn das Leben sortiert. Man kann ja zuschauen, wie er immer kleiner und schmächtiger neben ihr wird, bis er sich irgendwann in seiner Musik auflöst.«
    »Oder bei ihr unten reinkriecht«, sagt der bleiche Androgyne mit jener Häme, die ihm Kontur verleiht. »Von so etwas träumt wahrscheinlich auch dieser – wie heißt er? – Gerstl, genau. Heim in die warme Höhle.«
    |179| Die Dame im Reformkleid hat sich eine Zigarre geben lassen. »Nein, mein Lieber, also das glaube ich nicht. Nach dem, was ich so höre, geht es diesem verrückten Pinsler vor allem darum, dem Schönberg seine Frau auszuspannen, egal, wie die ausschaut, und wenn ihr der Bauch bis zu den Knien hinge. Also, wenn ihr mich fragt …«
    »Haben wir nicht, meine Liebe«, lächelt Waerndorfer und pickt mit feuchtem Finger die Brotkrümel von der Tischdecke.
    »… das ist«, redet sie weiter, »sage ich, eine … eine – ödipale Situation.«
    Das greise Kind lächelt. »Also bitte.«
    Als das Dienstmädchen wieder auftritt, eine Terrine mit Flußkrebsen auf dem Tablett, tuschelt es dem Hausherrn etwas ins Ohr. Waerndorfer erstarrt. »Vor zwei Stunden haben sie ihn verhaftet«, sagt er tonlos, »den falschen Grafen – wegen Betrugs. Und seine Stieftochter haben sie untersucht.« Er schluckt. »Sie ist Jungfrau, diese Komtesse Mizzi, heißt es.«
    Altenberg bedient sich von den Krebsen, während die anderen ihren hungrigen Blick auf den Hausherrn richten.
    »Ekelhaft«, sagt der bleiche Feingeist in Aubergine mit einem Timbre, das ihn selbst beglückt. »Das sind die ärgsten Huren. Die mit ihrem Kindergesicht und ihrem

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