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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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betrachten, was in Venedig früher der Cicisbeo war: einer, der für eine Frau alles das tut, wozu der Ehemann keine Lust hat. Komplimente machen, die Schleppe tragen, den Kaffee kalt blasen und sie so lange küssen, wie sie will.«
    Altenberg schaut Friedell von unten in die Nase. »Mehr nicht? Oder sind im Küssen die intimen Regionen inbegriffen? Wo sie ja keine Schleppe trägt – ich meine die Frau Schönberg.«
    Webern nimmt die Haltung eines Gerichtspräsidenten ein. Senkrecht und mit korrektem Gesichtsausdruck, die Ellenbogen angelegt, sitzt er da. »Gut, resümieren wir Friedells Theorie. Schönberg hat diesem Kerl seine Frau anvertraut, damit er sich auf sein Werk konzentrieren kann, und sie …«
    Altenberg kichert. »Rede doch nicht so geschwollen daher. Der hat seine Mathilde abgeladen, damit er die ganze Zores los ist, die sich Gefühle nennen. Und um Gottes willen keine Energie abgezogen wird von der Skandalmusik, mit der er unsterblich werden will.«
    »Höre ich da die Eifersucht des Kleinkünstlers heraus?« Friedell betrachtet eindringlich die Gewölbe.
    »Eine Kaisermelange, bitte«, sagt Altenberg zu dem lauschenden neuen Kellner. »Mit viel Schlagobers und Streuseln. Bunten Streuseln.«
    Loos hält die Lider noch immer geschlossen. »Einspruch, Friedell. Diese Cicisbeo-Theorie paßt phantastisch |198| zu einem wie dir, der Hieroglyphen entziffert und ein erotisch ungemein brisantes Leben mit einer alten Tante und einer alten Haushälterin führt. Aber zu Schönberg? Nie. Solange dieser Gerstl ihn nur bewundert und gratis porträtiert, da war er ihm natürlich recht als Unterhaltungsprogramm für Mathilde. Aber jetzt, wo er weiß, daß der junge Mann ihm Hörner aufgesetzt hat? Bestimmt nicht. Ganz bestimmt nicht.«
    Friedell reagiert nicht, weil vor ihm gerade eine große Tellersulz abgestellt wird. Er patscht mit der Rückseite des Löffels drauf, so daß die Sülze vibriert, und lächelt in sich hinein. Seine Tante sieht das nicht gern.
    Webern hat Altenbergs verschmähten Schwarzen übernommen. Unter dem Stuhl wippt er mit den Füßen. »Meine Herren. Wir müssen eine Antwort finden, wenn wir etwas Vernünftiges unternehmen wollen.«
    »Will ich gar nicht«, sagt Altenberg und schaut nachdenklich in sein Kaisermelangeglas hinein. »Ich glaube nicht an die Vernunft.«
    »Was bringt«, redet Webern weiter, »Schönberg auf die abstruse Idee, ausgerechnet diesen Spaltpilz in die Sommerfrische mitzunehmen?«
    Altenberg löffelt seine Melange, wobei er seinen dürren Schnurrbart tränkt. Triefend murmelt er: »Warum fragen Sie sich das eigentlich so hartnäckig? Haben Sie Schiß, es könnte diesmal klappen mit der Spaltung?«
    Webern kneift die Lippen zusammen, die anderen beiden schweigen müde. Friedell patscht auf den Rest Tellersulz und schluckt sie dann auf einen Sitz. Und Loos poliert mit dem Taschentuch seine Manschettenknöpfe.
    Zemlinsky kommt herein, weiß und trocken, als wäre draußen März. Mit ein paar schnellen Schritten |199| ist er da, nimmt einen Stuhl vom Nachbartisch und setzt sich dazu.
    »Vielleicht«, sagt Friedell aufatmend, »macht es Schönberg einfach nichts aus, daß ein anderer sein Ding reinsteckt in seine Frau. Eitel ist er ja nicht …«
    Zemlinsky schaut Friedell mit schiefem Lächeln an. »Was höre ich da? Mein Schwager nicht eitel? Das ist ja wohl ein Witz. Bloß weil er immer in einem schlechtsitzenden Anzug herumläuft? Und sich die Haare selten wäscht? Der bespiegelt sich doch dauernd.«
    »Fiel mir offen gestanden nie auf«, sagt Friedell. »Jedenfalls nicht in öffentlichen Räumen. Aber ich dachte, ihr wärt nicht nur verschwägert, sondern auch befreundet.«
    »Deswegen beunruhigt mich das ja. Er bespiegelt sich allzu gern in der Bewunderung seiner Schüler. Und die polieren den Spiegel emsig.«
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie neidisch sind auf ihn.« Webern bedenkt Zemlinsky mit einem kalten Blick. »Vergessen Sie nicht: Auch ich gehöre zu dieser Gruppe, die Sie offenbar für devote Ministranten halten.«
    »Nur dieser Gerstl, der hat einen Fleck auf diesen Spiegel gemacht«, redet Zemlinsky weiter.
    »Einen Spermafleck«, murmelt Altenberg.
    Webern wirft einen seitlichen Blick auf ihn wie auf etwas Verschimmeltes. »Ja und? Dann fragt es sich doch erst recht, warum er diesen Kerl dann an den Traunsee zu seinem Schülerkreis holt. Soll er jetzt den ganzen Spiegel zu … zu …«
    »Zuspritzen, will er sagen.« Altenberg freut sich, daß Webern

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