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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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zusammenzuckt.
    Zemlinsky holt seine Zigaretten heraus und sagt, während er die erste anzündet, undeutlich: »Nein, nein, |200| das sehen Sie falsch, Webern. Ich vermute, daß Arnold damit etwas demonstrieren will. Alle sollen dabeisein, wenn er mit dieser Geste sagt: ›Schaut her, ich bin der Sieger. Dieser räudige Kerl kann mir nichts anhaben. Mir doch nicht!‹«
    Jean, der Zahlkellner, bringt zwei Flaschen Weißwein und einen Kühler mit Eis. »Rheinriesling«, sagt er.
    »Wer hat denn den bestellt?« Altenberg strahlt.
    »Ich – damit wir hier besser weiterkommen«, sagt Webern. »Also, Loos, ich weiß nicht recht, so eine Demonstration der Stärke – das sieht Schönberg nicht ähnlich. Außerdem wäre ihm das Risiko zu groß. Er sitzt ja Stunden mit uns herum und kann gar nicht kontrollieren, was die beiden in der Zeit treiben. Gerstl hat schließlich sein Vertrauen aufs hinterhältigste mißbraucht. Gehen wir das Ganze mal systematisch an.«
    Jean schenkt den Weißwein aus, und Altenberg ist völlig versunken in diesen Vorgang.
    »Wenn wir systematisch sein wollen, müssen wir die Sache auch von der andern Seite her anspielen.« Friedell schaut hinüber zu den verwaisten Billardtischen, als geschähe dort etwas ungeheuer Aufregendes. »Und da fragt sich doch: Wie steht es um Frau Schönberg? Hat sie mit dem Kerl noch was oder nicht mehr? Was findet sie an dieser wohl doch eher verkrachten Existenz? Und wie groß ist die Gefahr wirklich, daß sie auch am Traunsee, wo ihr Mann sie jederzeit in flagranti überraschen kann, keine Hemmungen hat, wieder mit diesem Vogel zu … zu … «
    »Vögeln«, leuchtet Altenberg. Er schaut aus verträumten Augen in die Ferne und seufzt tief auf. »Ach, darum geht es eigentlich doch gar nicht. Ihr habt eben alle keine Ahnung von Frauen. Sie sind die großen |201| Enttäuschten des Lebens. Selbstmordkandidatinnen ohne den Mut, den Strick zu nehmen. Und nur eins kann sie retten: Romantik.«
    Zemlinsky drückt die kaum gerauchte Zigarette im Aschenbecher kaputt. »Mathilde romantisch! Was redest du da, Peter, also bitte.«
    Doch Altenberg spricht weiter, singend fast, als sagte er ein Gedicht auf. »Romantik heißt für eine Frau, daß ein Mann sie erkunden will. Daß er keine Antworten abliefert, sondern Fragen stellt. Und daß er ihr sagt, was sie alles ist: eine stumme Sängerin, eine Dichterin, die nur zufällig nicht schreibt, eine Malerin, die schon alle Bilder in sich trägt. Ein Mann, der was von Frauen versteht, sagt ihr nicht, was sie anders machen muß. Er sagt ihr, was an ihr schön ist. Und dann« – sein Lächeln wird verklärt – »macht sie sogar die Beine breit und ist naß vor Geilheit, obwohl das gar nicht so zur Romantik paßt.« Er pausiert und trinkt seinen Wein aus. »Aber ich warne euch: Jede Frau riecht den Braten sofort, wenn ihr das runterleiert, ohne daß ihr selber daran glaubt. Wenigstens in dem Augenblick.«
    Die ganze Runde schweigt. Es ist nichts zu hören als das Klicken der Billardkugeln und das Klacken der Schachfiguren auf den Brettern.
    »Auf die Strategie der Überschätzung«, sagt Friedell. Und alle heben gleichzeitig ihr Weinglas und trinken.
    Nur Altenberg redet weiter. »Dieser Gerstl, der hat ihn drauf, den Zaubertrick: wie man eine Hausfrau in eine Frau verwandelt, die sich auf einmal gut fühlt, wo sie sich doch vorher überhaupt nicht mehr gefühlt hat. Und ich wette, er bringt ihr etwas bei, was ihr Mann ihr erfolgreich verheimlicht hat.«
    Alle starren ihn an. Altenberg reibt sich die Hände |202| und trinkt aufreizend stumm seinen Wein, bis Zemlinsky es über die Lippen bringt: »Nämlich was? Was bringt er ihr bei?«
    »Daß der weibliche Körper auch Lustdrüsen hat. Die es genauso in sich haben wie die männlichen.«
    Gläser springen, Tassen klirren, der Ascher scheppert. Webern hat mit der Faust auf die Platte geschlagen. »Entschuldigung«, sagt er. »Entschuldigen Sie bitte.« Und schaut seine Faust an, als gehörte sie ihm nicht. »Aber das hier halte ich kaum aus. Sie wissen, wie ich zu unserem Meister stehe. Bitte machen Sie Schluß mit den Hymnen auf diesen … diesen Verräter.«
    »Judas wollten Sie sagen, oder?« fragt Altenberg.
    Wieder sind alle still.
    »Gut, Systematik ist ja durchaus mein Revier«, sagt schließlich Loos. »Und ich finde, wir müssen uns fragen, ob es nicht sein kann, daß Schönberg sich seiner Frau sicher fühlt. Vielleicht ist ihm ja klargeworden, daß sie niemals mit so einem leben

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