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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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Erwartet zu werden – was für ein tröstliches Gefühl. Wenn ein Mensch das täglich haben kann und dann nicht haben will, hat er es nicht verdient. »Er hat es nicht anders verdient«, sagt Gerstl laut. »Nein, er will betrogen werden, er muß betrogen werden.«
    Und während er den Gürtel entlang Richtung Norden geht, hört er nicht auf, vor sich hinzureden. Er begegnet niemandem, der ihn deswegen für irr halten könnte. Als er in der Liechtensteinstraße ankommt, ist es bereits sechs Uhr vorbei.
    »Und?« sagt Mathilde, als sie ihm die Tür öffnet. Es riecht nach Sauerkraut, geschmortem Fleisch und Paprika.
    »Du hast recht. Sie sind beim Saufen. Aber er hat geweint. Schönberg kamen die Tränen, als der Zug wegfuhr.«
    »Ach ja«, sagt Mathilde und nimmt Gerstls Mantel.
    »Ich habe ihn noch nie zuvor weinen sehen«, sagt Gerstl.
    |189| »Ich auch nicht. Als ihm der Frauenarzt letztes Jahr gesagt hat, es könnte sein, daß ich Georgs Geburt nicht überlebe, war er bewundernswert tapfer. Hast du Hunger? Es gibt Szegediner Gulyas.«
    Als sie den Teller vor ihn auf den Küchentisch stellt, sagt sie: »Es ist nur vom Hammel. Ißt du das?«
    »Es ist von dir«, grinst er. »Und von dir esse ich alles.«
    Sie schaut ihm zu, während er langsam und schweigend ißt. Als er die Gabel weglegt, sagt er: »Warum geht es ihm so gut und mir nicht?« Dann sieht er auf, sieht ihren Mund. »Entschuldige.«
    Nebeneinander gehen sie von der Küche durch den Flur.
    Nach vier Schritten streift Mathilde die Schuhe von den Füßen, öffnet lautlos die Tür zum Kinderzimmer und rutscht auf Strümpfen hinein. Gerstl sieht sie im fast dunklen Zimmer, das nur von der Straßenbeleuchtung her etwas Licht bekommt. Sieht, wie sie zuerst zu dem einen, dann zu dem anderen Gitterbett geht, sich hinunterbeugt, vorsichtig hineinfaßt, sieht, wie ihr Oberkörper fast versinkt in den Gehäusen. Er hört sie leise und tief raunen.
    Warum braucht das so lange? Was macht sie da an den Betten? Es scheint ihm eine halbe Stunde zu vergehen, bis sie die Tür wieder lautlos schließt und in ihre Schuhe schlüpft.
    »Was machst du denn für ein Gesicht?« fragt sie. Und geht vor ihm her zu dem Zimmer mit der Chaiselongue.
    »Liebst du sie mehr als mich?« hört sie ihn fragen.
    Mathilde bleibt stehen und sieht ihn an. »Liebst du deine Mutter mehr als mich?«
    |190| Gerstl weiß, daß sie sich in Schönbergs Arbeitszimmer befinden. Und spürt, daß ihn das eher reizt als hemmt.
    Er drückt sie auf die Chaiselongue, kniet vor sie hin, knöpft ihre Bluse auf, holt ihre Brüste heraus, erkundet zuerst die Brustwarzen, dann die Schlüsselbeine und den Hals mit der Zunge und stöhnt: »Jede Stelle will ich blind kennen. Ich will dich auswendig lernen.« Er streift ihren Rock nach oben und zieht ihren Schlüpfer behutsam herunter. »Ich will dich küssen«, sagt er und schaut ins Dunkel zwischen ihren Schenkeln. »Ich will dich küssen, bis du den Verstand verlierst und mit mir wahnsinnig wirst.«
    Während er beginnt, sie mit kreisenden Bewegungen zu erregen, sitzt Mathilde mit geschlossenen Augen da. Sie spürt, wie sie die Kontrolle über sich verliert und ihr Körper zerfließt. »Hör auf«, flüstert sie, »hör auf.«
    Gerstl taucht zerwühlt zu ihren Füßen auf. »Warum sagst du das? Du willst doch nicht, daß ich aufhöre.«
    Sie sieht ihn an und lacht leise.
    »Warum lachst du?«
    »Leidenschaft hat auch etwas Komisches.«
    Vor ihr kniend starrt er sie an, ernst und eindringlich. »Komisch? Verstehst du denn nicht: Ich will dich auswendig kennen, jede Stelle deines Körpers.«
    »Ach, das braucht es eigentlich nicht«, sagt sie lächelnd. »Wenn du dich nur mit mir auskennen würdest, wäre ich ganz zufrieden.«
    Er drückt sein Haar hinunter und macht ein schweres Kinn, aber Mathilde lächelt noch immer.
    »Was soll das heißen: ›auskennen würdest‹?« Er klingt verärgert. »Sag, was soll das bitte?«
    Sie streckt die Hand aus und will ihn zu sich ziehen, |191| aber er bleibt knien und legt wie ein Hund seinen Kopf in ihren Schoß. Unwillkürlich fängt sie an, seine Haare zu streicheln.
    »Wie, meinst du, ging es mir vor vier Wochen, als ich von dir weg bin – du weißt, droben in deinem Atelier?«
    »Wir – wir haben uns doch versöhnt. Also, ich meine, ich habe dich doch geküßt, als du an der Tür gestanden bist.«
    Sie streichelt ihn weiter, froh daß er schon einige Zeit darauf verzichtet hat, seinen Schädel kahlzuscheren. »Ah ja«.

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