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Wahr

Wahr

Titel: Wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riikka Pulkkinen
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ersten Bucht konnte man gut baden, unterhalb der Felsen eröffnete sich ein breiter Sandstreifen. Ein Schwanenpaar schaukelte mit eingezogenen Hälsen träge im ruhigen Wasser. Junge schienen sie nicht zu haben. Martti musste an weiße Seerosen denken. Weiter draußen auf dem Wasser stoben Gänse umher, von der Insel gegenüber ertönte die alljährlichen Balzschreie. Möwen, noch mehr Gänse, vielleicht auch noch ein paar Schwäne. Die Sonne war ein selbstgenügsamer roter Ball, der sich langsam in Grafitgrau hüllte.
    »Und? Wie sieht der Himmel aus?«, fragte Elsa.
    Das war eins ihrer Spiele. Er beschrieb ihr die Farbtöne, die Lichtqualität, Merkmale des Augenblicks.
    »Die Wolken sind sorglos hell«, sagte er, »als hätten sie vergessen, dass es so was wie Ernst gibt.«
    »Und was ist mit dem Mond?« Elsa zeigte nach Westen, wo der Mond noch nach seiner blassen Sichel suchte.
    »Der ist heute sehr schüchtern«, sagte er.
    »Ich liebe deine romantische Ader, auch wenn sie so was von altmodisch geworden ist«, erwiderte Elsa. Dann hielt sie inne, sah prüfend zur Sonne, aufs träge wogende Wasser. »Ich glaube, ich gehe jetzt rein.«
    »Wirklich?«
    »Wer sollte mich dran hindern?« Sie sah ihn herausfordernd an. »Das könnte mein letztes Bad im Meer sein! Willst du mir diese Freude etwa verwehren?«
    Den letzten Satz sagte sie lächelnd.
    »Natürlich nicht«, sagte er.
    Elsa ging hinunter zum Sandstreifen, hielt sich an ­einer steilen Stelle an einer krüppeligen Kiefer fest. Ohne Scheu legte sie ihre Kleidung ab, Jacke, Schuhe, Hose, Bluse, als Letztes die Unterwäsche.
    Instinktiv schaute Martti sich kurz nach allen Seiten um. Niemand sah zu. Er empfand Freude und Schrecken zugleich: Diese verrückt aussehende, spindeldürre Frau. Ich erkenne noch immer die geliebte alte Silhouette. Da geht sie schwimmen, nur weil sie den Gedanken so schön findet. Aber ich halte sie nicht zurück, gehe nur hinterher für den Fall, dass ihre Kraft nicht reicht.
    Am Wasser sah Elsa sich noch einmal um, als wür­de  sein skeptischer Blick ihre Wildheit zusätzlich befeuern. Sie tauchte einen Fuß ein, stieß ein genüssliches Wimmern aus – das Wasser war kalt –, ging mutig weiter.
    Plötzlich erinnerte er sich an eine andere, nahezu identische Situation: Eeva zog ihre Kleider aus, sah sich nach ihm um, ging dann ins Wasser, bis es ihr an die Hüften reichte, und begann zu schwimmen. Ruhige, stumme Züge. Obwohl das Wasser eiskalt war, hatte sie keinen Laut von sich gegeben. Als müsste sie ihm ihre Tapferkeit beweisen. Nach dem Schwimmen kam sie zu ihm, er wickelte ein Handtuch um sie, schloss sie in die Arme. Auf diese Weise wurde die Nähe eingelöst, wortlos; sie war berechtigt aufgrund der Kälte des Wassers.
    Elsa ging immer weiter hinein, machte zwei lange Züge, drei. Dann stellte sie sich auf den Grund und watete zurück an den Strand.
    »Na, das reicht wohl schon«, sagte er und hielt ihr das geöffnete Handtuch hin. Elsa schmiegte sich zufrieden an ihn.
    »Das war herrlich.«
    »Wenn du vor Kälte stirbst, werde ich mir das nie verzeihen«, hörte er sich sagen.
    »Wenn ich wirklich deshalb sterbe, könnte ich nicht glücklicher sterben«, sagte Elsa frei heraus.
    Sie bibberte und zog sich an, er half ihr dabei und überredete sie, noch einen Wollpullover überzuziehen.
    »Jetzt können wir den Tee trinken«, sagte Elsa.
    Langsam stiegen sie die Felsen hinauf, Elsa schaffte es aus eigener Kraft. Sie gingen an der umzäunten FKK -Zone vorbei, sahen die ganze Bucht vor sich liegen. An der steinernen Treppe teilte ein weißer Steg das Meer entzwei, an seinem Ende waren Bänke für Sonnenanbeter aufgestellt.
    »Da«, sagte Elsa.
    Sie breiteten eine Decke auf der Bank aus, gossen sich Tee ein. Elsa öffnete eine Packung Ballerina-Kekse, steckte sich freudig einen in den Mund.
    »Ist dir noch kalt?«
    »Ein bisschen.«
    Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Elsa ließ ihren Blick am Horizont entlangwandern.
    »Was hältst du davon, wenn wir demnächst nach Tammilehto fahren?«, fragte Martti. »Glaubst du, du würdest das noch schaffen? Ich muss in jedem Fall den Boden von der Saunaveranda erneuern, das würde ich mit Eero und Matias machen. Du könntest unsere Aufseherin sein, unser Boss.«
    »Euer Boss! Das werde ich wohl kaum ablehnen. Vorausgesetzt, das Gehalt stimmt, ich bin schließlich ein guter Boss.«
    »Was sind deine Gehaltsvorstellungen?«
    »Zwei Kekse. Nur einer wäre eine

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