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Wahr

Wahr

Titel: Wahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riikka Pulkkinen
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zu meiner Gefangenen zu machen. Ich male Bilder, ja, aber jemanden verzaubern und in meine Gewalt bringen kann ich nicht.«
    Er wollte sich erklären, zu einer Harmonie finden, aber was sollte er sagen? Anna hatte Eevas Dogmen zu ihren gemacht und testete nun deren Schlagkraft. Und trotzdem, er musste ihr zeigen, dass man auch anders denken konnte. Auf einmal war er sich sogar sicher, dass dies zum Wichtigsten zählte, was er tun konnte.
    »Ich glaube nicht, dass die Liebe ein Gefängnis ist. Denkst du das wirklich?«, fragte er.
    Annas finsterer Ausdruck wurde eine Nuance heller, ihre Stimme klang jetzt leicht brüchig. »Ich weiß nicht.« Sie sah aus, als würde sie nachgeben. Doch einen Anlauf nahm sie noch. »Aber Eeva hat es geglaubt, und nur das zählt.«
    Er hielt dagegen. »Ich glaube nicht, dass die eigene Freiheit etwas so Schwaches ist, dass andere ihr Fesseln anlegen können.«
    Anna schnaubte. »Und was ist dann mit all den vielen Leuten, die überall auf der Welt in Gefängnissen hocken?« Sie machte einen Schritt zurück, obwohl ihr klar sein musste, dass das nach Kapitulation aussah, und blickte zur Straße, wo jemand mit einem souveränen Spurt die Bahn einholte, nicht wissend, dass hier eine fast lächerlich ernste Diskussion geführt wurde.
    »Das mit den Gefängnissen ist eine etwas andere Kategorie«, sagte er langsam.
    Anna gab nicht auf. »Klar, dass du so argumentierst, du bist ja ein Mann. Du und deine Geschlechtsgenossen, ihr habt Jahrhunderte bestimmt, wie die Dinge laufen. Das muss endlich anders werden.«
    Seine Stimme war durchdringend und fest. »Wenn deine Auffassung von weiblicher Freiheit und Selbstbestimmung allein darin liegt, dass die Fesseln der Liebe zu einem Mann gesprengt werden müssen, dann kann es mit dieser Freiheit nicht besonders weit her sein.«
    Er hielt noch zurück, was er als wahr ansah. Aber schließlich musste er es aussprechen, konnte es nicht länger verschweigen: »Eeva war anders, sie hat in eine andere Welt gehört. Aber die Zeiten haben sich geändert.«
    Wollte Anna das überhaupt hören? Wer war er schon? Ein Maler, der sich mit dem Schatten auskannte. Doch er verstummte nicht, wollte, dass Anna verstand. »Du bist nicht Eeva. Das darfst du nicht vergessen.«
    Jetzt sah sie nicht mehr so böse aus. Oder bildete er sich das nur ein, war es Wunschdenken? Wie konnte er überhaupt wissen, was für ein Gefühl gerade in ihr aufstieg? Vielleicht war es eins, das er nie restlos verstehen würde. Schlagartig wurde ihm klar: Die Welt meiner Enkelin kann ich nie erfassen, auch wenn ich mich noch so anstrenge! Diese junge Frau ist mir letztlich fremd, und alles, was ich an ihr wahrnehme, gehört allein ihr.
    Er versuchte, seinen Worten Gewicht zu verleihen, ärgerte sich über seine raue Stimme. »Ich würde es eher so sehen: Deine Liebe gehört dir, dir allein. Sie ist kein Gefängnis oder etwas, das deiner Freiheit im Weg steht. Eeva hat das nicht erfasst, und das hat sie zu einem traurigen Menschen gemacht. Möglicherweise war sie von Anfang an trauriger als alle, die wir kennen. Anna, niemand kann dir deine Liebe wegnehmen, aber genauso wenig die Welt. Beide gehören dir.«
    Er war sich nicht sicher, ob sie begriff. Sie stand vor ihm, bereit für das nächste Gegenargument. Aber es blieb aus. Anna drehte sich einfach um und ging unter grün leuchtenden Eichenzweigen davon. Er blieb stehen, trotz des heftigen Angriffes war er seltsam friedlich. Er hob den Blick ins junge Laub, ein leises Rauschen. Das Bild und das Geräusch waren ihm lieb. Je überzeugter er wurde, umso ruhiger fühlte er sich: Alles war gesagt. Es gab nichts zu bereuen. Nicht mit Eeva. Nicht mit Anna.

    Wo sitzt denn das Wehwehchen?
Wo kommt der böse Zauber her?
Vom Stein etwa? Vom Baumstumpf gar?
Oder vom Reisig aus Ruinen?
Biene, Biene, unser Vogel,
trag den Honig, trag den Honig,
trag ihn mit den sechs Gefäßen,
trag ihn über sieben Meere …
     … Schon besser?







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