Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
jetzt etwas«, sagte Villani, »ich sage Ihnen, man hat mich angewiesen, sämtliche Ermittlungen in Sachen Koenig einzustellen, ich wurde angewiesen, Prosilio auf Eis zu legen. Man sagte mir, meine Laufbahn stehe auf dem Spiel.«
    Dove musterte seine Hände. »Verstehe«, sagte er.
    Die Gänge wurden hochgeschaltet, der Lärm des großen Motors wurde leiser, leiser, verschwand, verschwand, verstummte, die Stille, Bob war weg, er war allein mit den Jungs, den Pferden, den Hunden. Er konnte nicht wieder einschlafen.
Er musste sich um Dinge kümmern. Manchmal, frühmorgens, war die Last so schwer geworden, dass er sich das Kissen über den Kopf gezogen und das Atmen eingestellt hatte.
    Manchmal quengelte Mark an einem Sonntagabend wegen irgendwas, und Bob sagte dann: Steve macht das schon, Steve kümmert sich drum.
    Nie fragte ihn Bob, ob er das auch schaffte. Steve kümmerte sich um alles. Mit Lehrern reden, die Jungs zum Arzt, zum Zahnarzt bringen, ihre Haare schneiden, ihnen Kleidung, Schuhe kaufen. Dass Steve erst zwölf war, tat nichts zur Sache. Vielleicht war es Bob schlicht scheißegal. Nein, Mark bedeutete ihm etwas, genau wie irgendwann Luke. Die Pferde, die liebte er. Und dann die Eichen. Sie wuchsen aus den Eicheln, sie waren seine schönen und anspruchslosen Kinder. Wasser, mehr verlangten sie nicht. Und auch darum würde sich Steve kümmern.
    »Was heißt das?«, sagte er zu Dove. Ein Reflex, typische Singo-Frage, keine Äußerung blieb unbeachtet.
    Was genau hat er gesagt? Die Worte. Sag mir seine Worte. Ich sterbe, ich kann ohne sie nicht leben, ich bring mich um? Hat er solche Sachen gesagt?
    Dove schaute auf.
    »Das sind mächtige Menschen«, sagte er. »Sie beherrschen die Welt. Warum sollten sie nicht mit der Ermordung einer Hure durchkommen?«
    Sie saßen stumm da, in dem Raum, der von dem größeren Raum umgeben war, Blechschreibtisch, Blechaktenschränke, Singos Trophäe, die aus dem Karton ragte, k.o. in der ersten Runde, das war beim Polizeiboxen in den höheren Gewichtsklassen selten, in der Regel drosch man da endlos aufeinander ein.
    Er dachte an den Tag, als er Birkerts sagte, er wolle sich einige von Singletons ungelösten Fällen ansehen.
    Birkerts sagte: »Sie sind tot, er ist tot, wir können uns bloß
selbst in den Arsch schießen.«
    »Wenn du’s nicht begreifst«, sagte Villani bissig, »begreifst du’s halt nicht.«
    Birkerts erwiderte: »Ich begreife das Prinzip, ich verstehe nur den Nutzen nicht.«
    »Den Nutzen?«, wiederholte Villani. »Scheiße, hast du darin deinen Studienabschluss gemacht? Herauszufinden, welchen Nutzen irgendwas hat?«
    Gerechtigkeit für die Toten. Singos Botschaft für Neuankömmlinge. »Wir sind die Einzigen, die ihnen Gerechtigkeit verschaffen können. Das ist unser Auftrag. Das ist unsere Berufung.«
    Diese Gedanken waren Villani in den kurzen Pausen seines Lebens gekommen – während er an Ampeln wartete, in den verwunschenen Momenten vor dem Einschlafen, in der nassen Wärme der Dusche.
    Für Koenig, DiPalma und Orong war das Prosilio-Mädchen nur ein totes Wesen am Straßenrand. Eine Lappalie. Sie begriffen weder das Prinzip, noch verstanden sie den Nutzen.
    Er dachte an den Augenblick, als er das tote Mädchen gesehen und für Lizzie gehalten hatte. War das eine Art Vorwarnung gewesen, eine Todesahnung? Blödsinn.
    Für Singo war sie nicht so wichtig.
    Das Mädchen auf der verschneiten Straße. Nein, vergiss es.
    »Tja, das war’s dann«, sagte er. »Finden Sie raus, welche Aufgabe Inspector Kiely für Sie hat.«
    Dove stand auf, den Blick auf ihn gerichtet, undurchdringlich.
    »Ja?«, sagte Villani. »Haben Sie noch was auf dem Herzen? «
    »Nichts«, sagte Dove, »Chef.«

W enn das ein paar sind«, sagte Villani, »wird’s bestimmt ziemlich voll, wenn alle Ihre Freunde kommen.«
    Vicky Hendry lachte, kostspielige Zähne. »Das ist noch gar nichts. Max treibt die große Furcht um, wir könnten eine Party geben und fünfzig Leute einladen, aber dann tauchen vielleicht nur zehn auf. Deshalb lädt er hundert ein, und die kommen auch noch alle. Das hier sind Leute in Freitagslaune, reif fürs Wochenende. Mit etwa vierzig kann man da immer rechnen.«
    Villani war spät gekommen, unsicher, bereute seine Entscheidung schon lange, ehe das Taxi hielt. Er sprach seinen Namen in das Messinggitter an der Straße. Ein großer, lächelnder Mann in einem Anzug öffnete das Tor. Vicky Hendry wartete an der Haustür, küsste ihn auf die Wange, nahm seine Hand

Weitere Kostenlose Bücher