Wahrheit (Krimipreis 2012)

sehen.
    Bald war er auf der Straße, orangefarbene Sonne hinter dem Dunst, und suchte Finucane, dachte unverständlicherweise an Bobs erstes Rennpferd, das beste Pferd, das er je hatte, die fantastische kleine Schimmelstute namens Wahrheit, die ihr zweites Rennen gleich gewann, drei von zwölf gewann, immer lauffreudig war, nie aufgab. Sie wurde krank und starb binnen Stunden, brach zusammen und starb, ihre guten Augen vergaben ihnen, dass sie unfähig waren, sie zu retten.

V illani saß am Schreibtisch und stierte auf den fast leeren Posteingangskorb. Kiely tauchte in der Tür auf.
    »Habe die offenen Fälle überprüft«, sagte er. »Ich war so frei. Falls dringende Entscheidungen hätten gefällt werden müssen.«
    »Ich musste an ein schlechtes Restaurant denken«, sagte Villani, »wo der Geschäftsführer auch selbst kochen will.«
    Das Rosa des Morgenlichts auf Kielys bleichen Wangen. »Eine Bemerkung, die im Eifer des Gefechts fiel«, sagte er. »Sie war unpassend, wie ich einräume. Außerdem möchte ich betonen, dass ich zu dem Zeitpunkt keinen Vermerk an die Führung geschickt habe. Und auch anschließend nicht.«
    Er hatte etwas gehört und schaute in den anderen Raum hinüber, dachte an den Preis, den er möglicherweise zahlen musste.
    »Also kein Verräter?«, sagte Villani.
    Kiely kaute eine Weile Speichel. »Kein Verräter«, sagte er dann.
    »Willkommen im Morddezernat«, sagte Villani.
    Kiely wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
    »Das war nett gemeint«, sagte Villani.
    »Verstehe. Danke sehr.« Aus seinem Blick sprach Erleichterung. »Also, an manchen Fronten gibt es Fortschritte, bei der Ertrunkenen in Keilor, der Ehemann hatte sie voll Wasser gepumpt, er hat ein umfassendes Geständnis abgelegt. Und die junge Frau in Frankston, da haben wir die beiden Männer,
die dort wohnten, das dürfte sich also von selbst aufklären. Der Mann mit der Papstmaske, das erweist sich als schwierig. Möglicherweise wurde er aus dem fünften Stock geschleudert, à la Matrosenweitwurf.«
    »Finden Sie raus, wer im Hafen liegt«. sagte Villani. »Überprüfen Sie die Mannschaft der Spirit of Tasmania . Die sind groß im Weitwurf.«
    »Ha. Unbedingt.«
    Er ging.
    Burgess klopfte, Akten in der Hand. Er sah bemerkenswert, geradezu irritierend gesund aus. Selbst am allerschlimmsten Morgen brauchte man Burgess nur anzusehen, und schon ging es einem besser. Der australische Standard für jemanden, dem man seinen Kater nicht ansah, der Richtwert schlechthin.
    »Chef, das Mädchen da oben, im Schnee? Hatte es schon fast vergessen.«
    »Was ist passiert?«
    »Gar nichts. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.«
    »Haben Sie die Akten gelesen?«
    »Nicht alle Einzelheiten, nein. Hatte viel um die Ohren.« Warum ließ er ihm plötzlich keine Ruhe, dieser eisige Tag, der zerfurchte Weg, der kleine Leichnam, warum tauchten diese Dinge gerade jetzt aus dem Nichts wieder auf?
    »Wem sagen Sie das«, sagte Villani. »Ich hab mich mit neueren Sachen befasst.«
    »Ich auch«, sagte Burgess. »Für Singo war sie nicht so wichtig.«
    »Darwin, wieso fällt mir dabei Darwin ein?«
    »In Darwin wurde sie mehr oder weniger identifiziert«, sagte Burgess. »Es gab in Darwin eine Teenienutte, angeblich sah sie der Leiche auf dem Foto ähnlich. Sagten die Cops in Darwin. Die sie wahrscheinlich gefickt haben. Mehr war da nicht. Tja.«
    »Okay, lassen Sie’s ruhen. Weshalb sehen Sie so gesund
aus? Liegt’s an etwas, das ich auch nehmen sollte?«
    Burgess zwinkerte ihm zu. »Die Liebe einer guten Frau«, sagte er.
    »Kostspielig?«
    »Darf ich dem nächsten Kripochef sagen, er soll mich am Arsch lecken?«
    »Wo haben Sie das gehört?«
    »Die Vöglein pfeifen es. Von den Bäumen.«
    »Blödsinn. Auf Ihr Bike. Trike.«
    Sie können dabei nichts gewinnen… Befassen Sie sich wieder mit wichtigen Dingen. Mit Dingen, die Ihrer Karriere nützen.
    »Schicken Sie mir Dove vorbei, das ist ein guter Staatsdiener. «
    »Trauriger Junge, unser Lovey Dovey«, sagte Burgess. »Kein geselliger Mensch. Sein Aborigine-Erbe. Aber der Junge hat sich ’ne Kugel eingefangen.«
    »Ist noch nicht zu spät für Sie, sich auch eine einzufangen. Bitten Sie Mr. Dove herein. Und halten Sie sich die gute Frau warm.«
    Kurze Zeit verging, Dove trat ein, klopfte in die Luft.
    »Schließen Sie die Tür. Setzen Sie sich.«
    Dove schloss die Tür, setzte sich auf den Billigstuhl, faltete die Hände, die Sehnen traten hervor, dick wie Spaghetti.
    »Ich sage Ihnen