Wahrheit (Krimipreis 2012)
junger Mann kam heraus. »Hi«, sagte er. »Gehen Sie rein.«
Villani trat ein, die Tür schloss sich hinter ihm. Der Justizminister, Chris DePalma, saß hinter einem Schreibtisch, groß genug für drei, er trug kein Jackett, ein rosa Hemd, Krawatte lose, die Brille weit unten auf seiner dünnen Nase, ernste Miene, wie ein Richter, der einen ins Gefängnis schickt, wenn man nicht zu Kreuze kriecht.
Martin Orong, der Polizeiminister, saß in einem Clubsessel. Er lächelte Villani an, eine Art Lächeln.
»Setzen Sie sich, Inspector«, sagte DiPalma. »Sie kennen Martin, soviel ich weiß.«
Villani setzte sich.
»Darf ich Steve sagen?«
»Ja, Herr Minister.«
»Zur Sache, Steve. Sie haben Stuart Koenig ganz schön in die Mangel genommen. Er ist außer sich.«
»Routinebefragung«, sagte Villani.
»Der Prosilio-Fall?«
»Eine Mordermittlung.«
»Das bleibt unter uns. Kollegen, strikteste Vertraulichkeit. Verstehen wir uns?«
»Jede Polizeiarbeit unterliegt striktester Vertraulichkeit, Herr Minister«, sagte Villani.
DiPalma sah Orong an.
»Mr. Koenig sagt, er sei kooperativ gewesen, habe Ihnen lückenlose und nachprüfbare Angaben über seine Aufenthaltsorte gegeben. Trifft das zu?«
Villani sagte: »Wir sprechen grundsätzlich nicht über Ermittlungen, Herr Minister.«
»Und dann beantragen Sie die Aushändigung seiner Telefonverbindungsdaten, die Sie im Zusammenhang mit einer Morduntersuchung benötigen.«
»Das trifft zu«, sagte Villani. »Er steht im Zusammenhang mit einer Morduntersuchung.«
»Herrgott noch mal«, sagte DiPalma, »Sie begreifen es einfach nicht, oder?«
Orong berührte seine feste Stirnlocke. »Also wirklich, Steve, das ist doch nur ein freundlicher Plausch, niemand kehrt hier den Vorgesetzten raus. Wir wollen nur, dass Stuart angemessen behandelt wird, das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
Das war der Augenblick, um einen Rückzieher zu machen. Villani war kurz davor, als ihm einfiel, wie er Dove ermutigt hatte, sich mit Koenig anzulegen, und da konnte er nicht zurück.
»Wir wollen auch Sie angemessen behandeln«, sagte Orong. »Was Ihre Laufbahn angeht. Ihre Zukunft.«
Villani sagte zu DiPalma: »Herr Minister, wir gehen einem
Ermittlungsansatz nach, von dem wir glauben, dass er uns bei einer Morduntersuchung weiterhelfen wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
DiPalma hatte eine offene Akte vor sich liegen, er tippte mit den Fingernägeln darauf – manikürt, rosa. »Offenbar müssen wir deutlicher werden, Steve. Stuart Koenig war ein unartiger Junge, aber mehr auch nicht. Er hatte Sex mit einer Prostituierten. Das ist alles. Jetzt möchte ich, dass Sie ihn in Ruhe lassen. Mr. Barry ist ein großer Bewunderer von Ihnen, die Polizei steht kurz vor Veränderungen auf der Führungsebene, er zieht Sie für eine leitende Position im neuen System in Betracht.«
DiPalma nahm einen schwarzen, dicken Füllfederhalter, schrieb einen Satz in die Akte, schaute auf. »Ist das verdammt klar genug für Sie, Inspector?«
Villani nickte.
»Und da wäre noch eine Kleinigkeit, die Sie vielleicht bedenken sollten«, fuhr DiPalma fort. »Das neu aufgeflammte Interesse an Greg Quirks Tod. Das betrifft Sie, Dance und Detective Senior Sergeant Vickery. Wir könnten diese Sache ihren Lauf nehmen lassen. Oder auch nicht. Ist das auch verdammt klar genug?«
»Allerdings, Herr Minister«, sagte Villani.
»Gut«, sagte DiPalma. »Die Wahl rückt näher, das ist nicht der Zeitpunkt, um Minister mit Morduntersuchungen in Zusammenhang zu bringen. Wie unschuldig sie auch sein mögen. Wir haben uns also dahingehend verständigt, dass Sie Mr. Koenig aus Ihren Ermittlungen streichen. Von Ihrem Besuch bei ihm wird nichts an die Öffentlichkeit dringen. Absolut gar nichts. Nicht mal ein Fliegenschiss. Falls das durchsickert, wird Blut fließen. Ihres.«
Er stand auf, alle drei standen auf.
Orong hustete, das Bellen eines Hündchens. »Und diese ganze Prosilio-Scheiße«, sagte er, »die lassen Sie mal ein Weilchen
ruhen. Sie können dabei nichts gewinnen, und für den Prosilio-Tower ist es nichts als schlechte Publicity. Befassen Sie sich wieder mit wichtigen Dingen. Mit Dingen, die Ihrer Karriere nützen.«
DiPalma streckte die Hand aus, Villani schüttelte sie. Dann schüttelte er Orongs verräterisches Händchen. Er verließ die Büroräume, ging den kühlen und wichtigtuerischen Flur entlang. Von den Wänden sahen ihm die Toten nach, sie hatten viele Feiglinge kommen und gehen
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