Wahrheit (Krimipreis 2012)
nicht.«
Villani holte sein Handy heraus. »Ein toller Abend, Mr. Hendry. Mein Tag ist noch nicht vorbei. Leider.«
Max sagte: »Stephen, warten Sie noch ein Weilchen, ja? Packen Sie das weg. Wir haben uns vergaloppiert.«
Villani wartete, abmarschbereit.
»Hugh hat sich in meinem Schatten aufgehalten, was ihm nicht gutgetan hat. Ich habe das erst bemerkt, als es schon zu spät war. Aber in geschäftlichen Dingen ist Hugh gut, ein guter Verkäufer. Ich suche jemanden, der das Kommando auf dem Schlachtfeld übernimmt.«
Max schnupperte an seinem Glas, trank ein Schlückchen.
»Steve, wir haben hier zwar zunächst nur eine private Securityfirma, aber wenn wir es richtig anpacken, wird sie die Methoden revolutionieren, mit denen wir im öffentlichen Raum
für Sicherheit sorgen. Normale Bürger vor Abschaum von der Sorte schützen, die David totgetreten hat. Wir sind kurz davor, den Vertrag für ein riesiges neues Einkaufszentrum im Westen zu bekommen. Und es besteht ernsthaftes Interesse von einer neuen Wohnsiedlung in Brisbane. Da soll ein ganzer Komplex von Einzelhandelsläden, ein Ortszentrum, gesichert werden.«
»Sie glauben doch nicht zufällig, ich hätte Einfluss, oder?«, sagte Villani. »Dass ich behilflich sein könnte, an die Datenbanken zu kommen?«
Max hob die Hände. »Steve, wir bekommen den Zugang, wenn wir den Zugang verdienen. Wenn die Entscheidungsträger erkennen, dass die Vorteile schwerer wiegen als die Nachteile. Ich möchte Sie wegen der persönlichen Qualitäten haben, die Sie mitbringen. Das ist alles.«
Villanis Widerstand bröckelte: der Charme dieses Mannes, die Aufmerksamkeit, die man ihm den ganzen Abend geschenkt hatte, der Alkohol, die Stärkung seines Egos.
»Tja«, sagte er. »Ich fühle mich geschmeichelt. Muss darüber nachdenken.«
»Natürlich müssen Sie darüber schlafen. Wollen Sie nicht wissen, welches Gehalt wir Ihnen anbieten?«
»Nun …«
»Mehr, als ein Kripochef bekommt. Viel mehr. Wohlgemerkt, es ist ein Sechzehnstundentag.«
»Kriege ich den Sonntag frei?«
»Nicht automatisch.«
Kurz vor Mitternacht begleitete ihn Max durch Haus und Garten zum Tor an der Straße. Dort war der große, lächelnde Mann, der Villani zum Auto brachte und die hintere Tür öffnete.
»Ich sitze vorn«, sagte Villani.
Er und Max gaben sich die Hand.
»Ich weiß, dass ich recht habe«, sagte Max. »Überlegen
Sie sich’s gut. Ich habe gehört, wenn Mellish an die Macht kommt, werden alle führenden Köpfe bei der Polizei ausgetauscht. Das sollte man berücksichtigen.«
»Betrachten Sie es als berücksichtigt«, sagte Villani. »Gute Nacht, Max.«
Er sagte dem Fahrer, er solle ihn in die St. Kilda Road bringen, wo sein Büro war.
Nach Hause.
D as Gebäude schlief nie. Es gab Schichtwechsel, müde Menschen gingen, weniger müde Menschen nahmen ihre Plätze ein.
Im Morddezernat, in dem weißen Licht, wo Tag und Nacht ihre Bedeutung verloren, nahm ein halbes Dutzend Köpfe von seinem Kommen Notiz. Er sprach mit diesem und jenem, mit dem diensthabenden Beamten, machte sich einen Becher Tee, setzte sich an seinen Schreibtisch, er war jetzt nüchtern, wusste nicht recht, warum er da war, wusste nur, dass er kein Zuhause hatte.
Den ganzen Tag hatte er geglaubt, Corin würde anrufen, mit Sicherheit. Sie hatte keinen Grund, ihm wegen irgendetwas Vorwürfe zu machen, was mit Lizzie zusammenhing. Doch sie hatte sich nicht gemeldet. Zu beschäftigt, die Uni fing an, ihr Job, der heiße Typ vom teuren Ende der Stadt.
Hör zu, meine Liebe, du musst unbedingt Lizzie abholen. Sofort.
Das hätte er sagen und darauf bestehen sollen, dass sie das Essen verließ. Sie war die Älteste, warum hatten sie ihr nicht die Aufgabe übertragen, sich immer um Lizzie zu kümmern? Dafür zu sorgen, dass Lizzie die Erwartungen erfüllte. Pünktlich in die Schule kam. Ihre Hausaufgaben machte.
Er könnte Corin anrufen.
Nein, nein, nein.
Sie schuldete ihm etwas. Sie schuldete ihm eine ganze Menge, und sie hätte all ihre Schulden mit einem einzigen
kleinen, erbärmlichen Anruf begleichen können. Sie, seine geliebte Tochter, hatte ihn in Stich gelassen. Im Grunde war er ihr gleichgültig.
Er sollte hier aufhören und für Max Hendry arbeiten. Er war ins Morddezernat gekommen, um seine Ehe zu retten, um saubere Arbeit zu leisten. Kein Glücksspiel mehr, keine Frauen mehr. Saubere Arbeit hatte er geleistet. Dem Glücksspiel hatte er abgeschworen; er hatte sich von Gewissheiten abgewandt, sich
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