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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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hinter der drei Meter hohen Mauer. Oben blickten getürkte Fenster auf nutzlose Balkone.
    Als sie näher kamen, sagte Weber: »Sagen Sie Mr. Hanlon, die Polizei will ihn sprechen. Morddezernat.«
    Der Mann zog die Oberlippe hoch. »Dann weisen Sie sich mal aus«, sagte er.
    Weber zeigte ihm die Marke. »Diese Jacke. Sind Sie bewaffnet, oder ist bloß der Thermostat kaputt?«
    »Sie können mich auch mal«, sagte der Mann. Er sprach in das Gitter, eine unhörbare Antwort. Riegel klickten. Er öffnete das Tor, ging als Erster hindurch.

    Ein unrasierter Mann in Jogginghose und einem schwarzen T-Shirt stand an der Haustür. Groß, Mitte vierzig, das Gesicht pockennarbig wie eine Netzmelone, die dunklen, fettigen Haare zum Pferdeschwanz gebunden.
    »Was soll der Scheiß?«, sagte Hanlon, als er Villani erkannte. »Ach Gottchen, Sergeant Villani, Scheiße, wollen Sie mich mein ganzes verdammtes Leben lang verfolgen?«
    »Wir müssen reden«, sagte Villani.
    »Aha. Und worüber?«
    »Ich komme mit den SOGgies zurück«, sagte Villani. »Dann zerschlagen wir Ihr beschissenes Haus und erschießen Sie. Versehentlich.«
    Hanlon sagte zu dem Wachmann: »In Ordnung, Kumpel, zurück auf deinen Posten.«
    Hanlon machte kehrt. Sie folgten ihm durch ein gekacheltes Foyer in eine Art Essküche. Er setzte sich an einen Tisch mit einer Platte aus poliertem Granit, auf der zwei Handys lagen.
    »Also was?«, sagte er.
    »Sind Sie sicher, dass ein Hirni genügt, um Sie zu beschützen? «, sagte Villani.
    »Das hat einen Scheißdreck mit euch zu tun, Alter. In der Gegend wimmelt’s nur so von Drogensüchtigen. Würdet ihr euren Job machen, bräuchte ich keine Security. Ein Scheißpudel würde reichen.«
    »Intelligenter Hund, der Pudel«, sagte Villani. »Vielleicht möchte er Sie gar nicht beschützen. Früher habt ihr in eurer Fledermaushöhle gehaust, ihr alle, hattet die Hosen voll, Angst vor den Angels. Immerhin, sich in die Hosen zu kacken, hat euch warm gehalten.«
    »Verpisst euch einfach«, sagte Hanlon.
    Villani stand bei der Kücheninsel. »Es geht um eine Frau«, sagte er.
    »Ja?«

    »Um die, die Sie ins Prosilio-Gebäude gebracht haben.«
    Hanlon strich sich beidhändig die Haare glatt, betrachtete seine Handflächen. Sie glänzten. »Alter«, sagte er, »wo haben Sie so ’n Scheiß her? Was ist Ihr Problem?«
    »Totes Mädchen, das ist unser Problem«, sagte Villani. »Können Sie lückenlos nachweisen, wo Sie Donnerstagabend vor einer Woche gewesen sind, Kenny?«
    Hanlon steckte eine Hand in seinen Kragen, kratzte sich. »Für jede einzelne Sekunde. Ich bin jeden Abend um elf zu Hause und schlafe fest, ausnahmslos.«
    »Kann das jemand bestätigen?«
    »Nein. Nur etwa zwanzig Personen. Und meine Frau. Und meine Schwiegermutter. Ausreichend? Genügt Ihnen das?«
    »Die Schwiegermutter wohnt also bei Ihnen im Haus?«
    »Sieht besser aus als Ihre Frau, Alter, und kochen kann sie wie, weiß auch nicht, wie diese Tommy-Schwuchtel vom Fernsehen. Besser.«
    »Sie befördern also jetzt Nutten«, sagte Villani. »Wie wird daraus ein profitables Geschäft?«
    Hanlon tippte sich mit zwei Fingerspitzen an die Stirn. »Ich bin im Gastgewerbe, Mann. Ihr Penner klebt seit Jahren an mir dran wie Schleim. Wollt ihr’s wieder probieren? Scheiße, nur zu.«
    Stille. Dove betrachtete mit ausdrucksloser Miene sein Klemmbrett.
    »Ihr Wagen«, sagte er. »Ich meine den schwarzen BM W. Der war am vorletzten Freitag an einem Auffahrunfall in der La Trobe Street beteiligt, morgens um zwei Uhr dreiundzwanzig. «
    »Ich nicht, Mann. Hab die Schnauze voll von deutschen Scheißautos, die Krauts können mich mal. Fahr jetzt ’nen Holden SV. Australisches Auto.«
    Eine Frau in einem cremefarbenen samtenen Jogginganzug tauchte in der Tür auf. Sie war im Alter von etwa sechzig
schockgefroren, blondiert, aufgequollen wie nach Bienenstichen, in einem leuchtenden Pfirsichton geschminkt, grellrosafarbene, plumpe Kollagenlippen.
    »Gäste, Kenny«, sagte sie. »Und so früh.«
    »Gib uns zehn Minuten, Suzie, so isses lieb«, sagte Hanlon.
    Die Frau lächelte Villani an, das Lächeln blieb, als hätten die Gesichtsmuskeln einen Krampf bekommen. »Hat mich wirklich sehr gefreut«, sagte sie. Dann ging sie davon, strahlend.
    Hanlon stand auf, griff auf eine Ablage und fand eine Packung Zigaretten, Camel. »Rauchen Sie?«
    Sie reagierten nicht. Villani ging zur Tür, machte sie zu und schloss ab. Er sah sich in dem Raum um, betrachtete die Profikaffeemaschine,

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