Wahrheit (Krimipreis 2012)
haben?
Mellish lachte.
Bleiben Sie dran, Anna. Mehr sage ich nicht. Bleiben Sie einfach dran.
Anna:
Das Prosilio-Gebäude gehört der Marscay Corporation, die beiden politischen Parteien großzügig Spenden zukommen lässt. Im Prosilio ist Australiens exklusivstes Kasino untergebracht, das Orion, das mit den etablierten Glücksspieletablissements Australiens um die High Roller konkurriert, die mindestens 250 000 Dollar setzen, fast ausschließlich Chinesen.
Der fragende Blick.
Da bis zu den Wahlen im Bundesstaat nur noch zwei Wochen vergehen werden, könnten Karen Mellishs Vorwürfe der Todesstoß sein für eine Regierung, die mit den Wählern ernsthaft über Kreuz liegt und erst vor wenigen Stunden Infrastrukturminister Stuart Koenig wegen Vorwürfen sexueller Natur vor die Tür setzte.
Villani machte den Fernseher aus, trank den Rest von seinem Bier, was die großen Fritten aus Geelong wieder nach oben spülte. Colby? Ein Irrtum. Colby war zu schlau, das Risiko wäre er nie und nimmer eingegangen. Seine Exfrau? Colby hatte einmal gesagt, aufgrund der Scheidungsvereinbarung blieben ihm nur noch ein Hoden und ein zwölf Jahre alter Holden.
Ein Unschuldiger. Man hatte ihn benutzt, um Koenig zu vernichten. Jemand hatte Koenigs Stadthaus observiert, gesehen, wie das Mädchen mit Hanlon eintraf, das Ganze arrangiert.
Wer mochte das sein? Crucible? Würde Dancer Karen Mellishs Drecksarbeit machen?
Blackwatch Associates? Die befassten sich auch mit Observationen. Camerons Partner, Wayne Poland, war einmal Überwachungsexperte der Polizei gewesen. Und Blackwatch würde für jeden arbeiten.
Vielleicht war Koenig verwanzt. Vielleicht hatten sie gehört, wie er bei Hanlon ein Mädchen bestellt hatte.
Max Hendry.
Wenn er AirLine zum Fliegen bringen will, heißt sein Hauptproblem Stuart Koenig, der Infrastrukturminister. Koenig hat der Labor-Fraktion gesagt, ehe Max Hendry die Unterstützung der Regierung bekommt, werden fliegende Schweine den Himmel verdunkeln.
Karen Mellishs Worte. Folglich hatte sich mit Koenigs Sturz sein Hauptproblem erledigt.
So müde. So am Ende. Ein Leben, das dermaßen am Ende war. Was würde Bob sagen, wenn er die Schlagzeilen las:
TOCHTER DES TOPCOPS:
DAD HAT MICH MISSBRAUCHT
Handy.
Es war nicht seins, sondern das Handy, das Dance ihm gegeben hatte, es quäkte irgendwo dort, wo er sein Jackett hingeworfen hatte.
»Tut mir leid, dass ich dich wecke, Kumpel. Wo du dich doch schon um sieben Uhr abends aufs Ohr gehauen hast.«
Der Dancer, vorlaut, betont lässig.
»Ich mach gerade mein Yoga«, sagte Villani.
»Mit deinen drei Personal Trainern von den Philippinen. Hast du das von Colby gehört?«
»Gerade eben. Ja.«
»Habgier ist immer eine schlimme Sache. Habgier führt zu nichts Gutem.«
»Offenbar.«
»Und ich überbringe heute Abend noch andere schlechte Nachrichten«, sagte Dance. »Grace Lovett. Tot. In ihrem Pool. Wahrscheinlich im Suff reingefallen.«
Er war wieder ein Kind, Erwachsene erzählten ihm Dinge, wahre Dinge.
»Tragische Sache«, fuhr Dance fort. »Alkohol und Wasser passen nicht zusammen. Mit Ausnahme von Single-Malt-Whisky und uraltem Quellwasser, das funktioniert. Ich schätze also, die kleine Fotze wird nicht wieder auftauchen, um uns zu peinigen. Grace wird keine Aussage machen können. Das Video dürfte damit nicht mehr zulässig sein, würde ich sagen, du nicht auch?«
»Würde ich auch sagen. Danke für den Anruf.« Weit tödlicher, als er je gedacht hatte.
»Hast du einen Moralischen, Kumpel? Du bist raus aus der Brandung, Junge. Brauchst keine Angst mehr vor dem Ertrinken zu haben.«
»Bin nur müde.«
»Mein Junge. Dieser Scheiß ist endgültig vorbei. Vom System ausgeschieden. Bald ist der ganze Mist ausgestanden. Setz dich hin, trink einen Schluck.«
Villani saß eine Weile da, holte sein Handy heraus, schaltete es ab. Er ging zur Wand, machte die Beleuchtung aus, das Zimmer wurde vom Mond erhellt. Er ging zu dem großen Ledersofa, legte sich hin, machte sich lang, schloss die Augen und lauschte auf das grelle Kreischen, den klagenden Krach der Stadt.
Als die schwarzen Rohre verlegt waren und das Wasser den Hügel hinab zu den Bäumen sickerte, an den Sommerabenden nachdem er sechzehn geworden war, setzte er sich manchmal hin, den Rücken am Staudamm, drehte sich eine Zigarette, beißender Knaster aus dem Kiewa Valley, von einem Schulkameraden, der ihn seinem Onkel geklaut hatte. Wenn der Tag sich dem Ende zuneigte, war es in dem Tal so
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