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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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still, dass er das dumpfe Wummern von Lukes und Marks Tritten gegen den Football noch über einen Kilometer entfernt hinter dem Hügel hören konnte.
    So müde.
    In einem Traum klingelte das Telefon, er setzte sich auf, stand auf, schwankte, fand das Telefon vom Festnetzanschluss, es stand auf einem Regalbrett.
    Birkerts.
    »Steve, dein Handy ist aus, da haben sie mich angerufen.«
    Ein Wagen holte ihn ab. Er stand auf der heißen Straße, kalt bis ins Herz. Er stand da und rauchte, und sie holten ihn mit eingeschalteter Sirene ab.

I n dem Suchscheinwerfer des Vans führten ihn zwei Uniformierte, ein Mann und eine Frau, die schäbige Gasse hinunter, ihre langen Schatten gingen vor ihnen her.
    Sie kamen an dem Mann vorbei, dessen Kopf an der Mauer lehnte, sie gingen zum Ende der Gasse, wo das kleine Etwas lag, ein Bündelchen, nicht größer als ein schlafender Hund.
    Der Cop hustete. »Zu spät, um … na ja, Chef.«
    Villani trat näher und betrachtete die Verstorbene, das machte man im Morddezernat, wenn man den Mumm nicht hatte, sollte man woanders arbeiten.
    Dem Häufchen Mensch war übel gewesen, es hatte seinen Mageninhalt von sich gegeben, nicht viel, eine Tasse weißer Flüssigkeit auf dem Kopfsteinpflaster neben dem weißen Gesicht.
    Lizzies Gesicht war schmutzig, und unter ihrem linken Auge war eine kleine wunde Stelle, wo sie sich gekratzt hatte.
    »Überdosis, Chef«, sagte der Cop.
    Villani ging auf die Knie und berührte, ohne zu überlegen, mit den Lippen die Stirn des Kindes, sie war kalt.
    Er stand auf und betrachtete den an die Mauer gelehnten Mann, Kopf im Nacken, Knie angezogen, ganz in Schwarz, eine schwarze Ledermütze, unter der Dreadlocks hervorhingen. Auf seinen Wangenknochen hatte er kleine tätowierte Dreiecke, Quadrate und Kreise, ein Malteserkreuz zwischen den Augenbrauen, Stacheldrahttattoo am Hals, unter dem Adamsapfel.

    Seine Augen waren geschlossen.
    In ein Ohr war ein iPod gestöpselt.
    Wut blockierte Villanis Ohren, die Nase, sodass er sich schwerelos und größer vorkam, er ging die paar Schritte und trat den Mann zwischen die Beine, es lohnte nicht, es war, als würde man einen Sack Weizen treten.
    »Er ist tot, Chef«, sagte die Frau. »Er ist tot.«
    Villani drehte sich um, sah zum anderen Ende der Gasse, der Scheinwerfer ging aus, und er konnte sie erkennen: Birkerts und Dove, Finucane und Tomasic.
    Birkerts kam zu ihm, berührte ihn am Arm. »Soll ich es Laurie sagen?«, fragte er.
    Villani richtete sich auf, räusperte sich. »Das ist eine gute Idee«, sagte er, »Kumpel.«
    Er ging zu der Gruppe, biss sich auf die Lippe, sie schwiegen, machten ihm Platz, klopften ihm auf die Schultern, berührten ihn. Sie waren mitten in der Nacht hierhergekommen, weil er ihnen etwas bedeutete, so etwas erwartete er nicht. Finucane folgte ihm.
    »Wohin, Chef?«, fragte er.
    »Ich will einfach nur nach Hause.«
    »Nach Hause heißt nach…«
    »Nach Fitzroy.«
    »Äh, weiß nicht, ob es gut für Sie ist, allein zu sein, Chef«, sagte Finucane. »Kann ich mir nicht denken. Nein.«
    »Überlassen Sie das Denken mir, mein Junge. Sie fahren.«
    Finucane fuhr ihn zurück nach Fitzroy, begleitete ihn zur Tür.
    »Ich könnte einfach mit reinkommen, bisschen rumsitzen«, sagte er. »Falls Sie noch … irgendwas wollen. Genau. Einfach bloß da sein.«
    »Fahren Sie nach Hause, Detective«, sagte Villani. »Es muss niemand bei mir herumsitzen oder einfach bloß da sein. Mir geht’s gut.«

    In der Wohnung überkam ihn der Drang zu duschen, er stand lange unter dem Wasserfall, hörte das Festnetztelefon klingeln, ließ es klingeln, bis es aufhörte.
    Als er gerade Whisky in ein Cognacglas gießen wollte, klingelte es wieder. Er konnte es nicht ignorieren.
    »Villani.«
    »Ich bin’s.« Laurie. An den zwei Wörtern hörte er, dass sie geweint hatte.
    »Hi.«
    »Stephen, ich muss dir sagen …«
    Sie verstummte, konnte nicht reden. Er wartete.
    »Was?«
    »Sie hat vor etwa zwei Stunden angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Ich war nicht da und …«
    Sie brach wieder ab. Er wartete.
    »Sie hat geweint. Sie sagte, du hättest ihr nie etwas angetan. Sie nie angefasst. Sie sagte, die hätten von ihr verlangt, das zu sagen.«
    Villani spürte den Zorn in sich aufsteigen. »Wer ist ›die‹?«
    »Ich weiß es nicht. Das waren ihre Worte.«
    Schweigen, Laurie schniefte, hüstelte.
    »Stephen, möchtest du … würdest du gern, würdest du gern nach Hause kommen?«
    »Nicht jetzt«, sagte Villani.

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