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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Fenster, nach rechts zu einem anderen, nach unten zu den tieferen Etagen, in den Außenbereich, auf die Straße, parkende Autos, zwei Männer mit Aktentaschen, ein Auto, ein Lieferwagen, eine Rauferei unter zugedröhnten Jugendlichen, vier, nichts.
    Sie sahen eine Zeit lang zu. Die Kamera schwenkte wieder auf Kidds Fenster, hielt inne, schwenkte nach unten. Auf der Straße war es offenbar dunkler geworden. Straßenlaternen gingen an, kleine weiße Fackeln.
    Wieder zurück. Kidds Fenster waren jetzt dunkel, die Sonne hinter dem Gebäude verschwunden, untergegangen.
    »Hübsches Sträßchen«, sagte Villani. »Findet ihr’s da gemütlich? Zahnbürste dabei?«
    An der Tür machte Angela ein Zeichen. Er ging raus.
    »Mr. Colby, Chef.«
    Villani nahm den Anruf an seinem Schreibtisch entgegen.
    »Habt ihr ihn?«, fragte Colby.
    »Wir haben sein Apartment. Das Fahrzeug steht hinter dem Haus.«
    »Wie ist der Plan?«
    »Wir sehen uns gründlich um.«
    »Steve, wenn der Arsch da ist, nehmt ihn fest. Fordert die SOG an.«
    »Und die bisher eingeleiteten Schritte? Aufgeben?«
    »Sie hören nicht zu, mein Junge. Sie hören immer noch nicht zu, verdammt.«
    »Können Sie’s noch mal wiederholen, Chef?«
    Er hörte Finger pochen.

    »Der Leiter des Morddezernats«, sagte Colby. »Sie sitzen an den Hebeln, es ist Ihre Entscheidung. Wir verlassen uns auf Ihr Urteil.«
    Villani ging zurück in den Einsatzraum, setzte das Headset auf, betrachtete das dunkle Gebäude. Die Kamera fuhr zurück. In den Apartments zu beiden Seiten von Kidds Wohnung und in dem darunter brannte Licht.
    »Kacke«, sagte der Techniker. »Da ist jemand.«
    »Wie haben Sie das gehört?«
    »Übers Festnetz. Das Telefon muss in der Nähe sein. Schlafzimmer oder Flur.«
    Kiely hustete. »Mr. Colby Bescheid sagen?«
    »Da gibt’s nichts zu sagen«, sagte Villani. »Könnte jeder sein. Freundin. Mitbewohner. Stubenreiner Hund.«
    Sie warteten. Fünf Minuten, zehn, es war wohltuend, nichts zu tun, zu beobachten, wie die Kamera herumschwenkte, der Kameramann langweilte sich, rauf, runter, seitwärts, die Straße entlang. Villani schloss die Augen.
    Lizzie. Wenn er früher manchmal nach Hause gekommen war, hatte er die beiden schlafend vorgefunden, in dem großen Schlafzimmer oder auf Lizzies Bett. Oft saßen sie auf dem Sessel, Mutter und Kind als Einheit, Lauries Haare fielen wie eine dunkle Mähne über das Gesicht des Kleinkinds.

I n Villanis Ohr sagte Birkerts’ Stimme: »Er hat sich wieder schlafen gelegt.«
    Villani schaute auf die Uhr. Vierzig Minuten, seit die Toilettenspülung betätigt worden war. »Ich komme zu euch«, sagte er. »Ortstermin.«
    »Wir haben nichts zu verbergen. Bitte den Lieferanteneingang benutzen.«
    Finucane fuhr, Winter kam mit. Ein paar Blocks von der Straße entfernt klingelte Villanis Handy.
    »Inspector, Wachtmeister Willans, St. Kilda, Ihre Tochter Lizzie ist hier, meine Officer haben sie gefunden.«
    »Wo gefunden?«
    »Auf der Parade, Chef. Mit einer Gruppe.«
    »Ist sie wohlauf?«
    »Äh, darf ich offen sprechen, Chef?«
    »Ja.«
    »Total zugedröhnt, Chef.«
    Fünfzehn Jahre alt. Das Kind in Lauries Armen im Sessel, jetzt marschierte es durch die harten Straßen von St. Kilda. Wie hatte ihre Mutter zulassen können, dass es dazu kam?
    »Na schön. Behalten Sie sie da, ich komme so schnell wie möglich vorbei.«
    »Chef, sie ist ganz schön anstrengend, wir wissen nicht, wohin mit ihr, haben nur die Zellen …«
    Die Zellen.
    Keine bekannte Flüssigkeit, weder Karbolsäure noch Zitronensäure
noch alle Tränen des auferstandenen Christus, konnte das Aroma von Schweiß, Blut, Kotze, Rotz, Spucke, Sperma, Pisse, Fürzen und Schleim aus den Arrestzellen vertreiben.
    Seine Tochter würde in die Arrestzellen gesteckt, auf Betreiben ihres Vaters. Er sollte Corin anrufen, sie überreden, dass sie Lizzie abholte. Nein, das konnte er Corin nicht antun – sie von ihrem Dinner im Epigram mit ihrem jungen Trinity-College-Klugscheißer und dessen Vater, dem millionenschweren Anwalt, weglotsen, damit sie ihre ausgeflippte fünfzehnjährige Schwester aus dem Polizeirevier von St. Kilda holte.
    Winter warf ihm einen Blick zu. Sie waren fast da. O Gott, der ideale Zeitpunkt für so einen Mist.
    Die Zelle würde Lizzie nicht schaden. Scheiß drauf, sie konnte ruhig einen Vorgeschmack davon bekommen, was geschah, wenn man sich mit Arschlöchern herumtrieb und Drogen nahm.
    »Stecken Sie sie in eine Zelle«, sagte Villani. »Aber allein,

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