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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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aus.
    Villani sah weg. Wie war der angehende Neurochirurg in dieser tristen Bude gelandet?
    »Dadda«, wiederholte das Kind.
    Der alte Mann gab zwei knallende Laute von sich, wie bei einer doppelten Fehlzündung. Es könnte ein Lachen gewesen sein. Er zeigte auf Villani. »Erwischt, Kumpel«, sagte er. »Erwischt. «
    »Halt deine Scheißklappe«, sagte die Frau. »Blöder alter Sack.«
    »Leck mich doch«, sagte der Mann. »Bestimmt haste noch zwei im Auto. Drei Scheißdads, das steht fest.«
    »Mr. Stewart, seien Sie freundlicherweise still, oder warten Sie draußen«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Und da können Sie lange warten.«
    Die Kleine machte noch einen Schritt auf Villani zu. »Dadda«, sagte sie.
    Die Frau sprang von ihrem Stuhl auf, riss das Kind am Arm weg, setzte sich und hielt es fest. Die Kleine fing an zu wimmern, und Tränen kullerten ihre dicken Wangen hinunter. Sie wandte den Blick nicht von Villani.
    Die Tür ging auf, und ein pickliger, vielleicht sechzehnjähriger Jugendlicher kam heraus, braune Haut, Elvisfrisur.
Er sah stur geradeaus, verschwand. Mark Villani streckte den Kopf heraus. »Steve«, sagte er.
    Das Behandlungszimmer machte einen provisorischen Eindruck, Schreibtisch mit Spanholzplatte, billiger Computer, Untersuchungstisch mit einem nicht mehr blütenweißen Laken darauf. Der Kalender war von 2009.
    Sie setzten sich.
    »Ich wollte dich anrufen«, sagte Mark. Er hatte sich die Haare lang wachsen lassen, hatte jetzt ein Kinnbärtchen, einen Ring im Ohr.
    »Hab dich draußen gesehen«, sagte Villani. »An dem schwarzen Holden.«
    Mark hob das Kinn, blinzelte zweimal, sah nach unten, notierte etwas auf die Schreibunterlage. »Ein Patient hatte sein Rezept vergessen.«
    »Mir fiel auf, dass du ihn kanntest.«
    »Natürlich kenne ich ihn. Er ist ein Patient.«
    »Du hättest die Sprechstundenhilfe schicken können.«
    Mark schaute hoch. »Willst du mir erzählen, wie ich meine Praxis führen soll?«
    »Dein Patient ist kein Musterbürger. Weißt du das?«
    Mark schüttelte den Kopf. »Steve«, sagte er, »Kranke müssen mir kein Leumundszeugnis vorlegen. Es reicht, wenn sie sich unpässlich fühlen.«
    »Was hat er denn?«
    »Ich spreche nicht mit anderen über meine Patienten. Das nennt sich ärztliche Schweigepflicht. Nie davon gehört? Gehst du in die Kneipe und erzählst den Besoffenen, wer wen ermordet hat?«
    Villani wartete, sah seinen Bruder an. Mark hielt dem Blick stand, pochte mit einem Finger auf den Tisch.
    »Nett von dir, mal vorbeizuschauen«, sagte er, »aber ich habe Patienten, die warten. Ich ruf dich an, wir machen was aus.«

    »Hellhounds«, sagte Villani. »Du verkehrst mit Hellhounds. «
    Mark kräuselte die Oberlippe. »Steve, komm mir nicht mit deinen Polizeiallüren. Der Typ ist Patient, er fährt ’ne Harley, ich hab ’ne Harley, wir reden über Harleys.«
    »Und du schaust mal im Clubhaus vorbei, stimmt’s?«
    Mark nahm seinen Kuli, klickte drauf, klickte immer weiter. »Soweit ich weiß, geht’s da um Poolbillard, Kühlschränke voller Bier und eine Werkstatt.«
    »Bist du eigentlich naiv, oder was?«
    »Hör zu, erzähl mir nicht, mit wem ich reden darf. Das geht dich verdammt noch mal nichts an, klar?«
    »Nein, nicht klar«, sagte Villani. »Du gehst mich etwas an. Das denke ich.«
    »Können wir dieses Gespräch ein andermal führen? Ich bin beschäftigt, ich habe keine…«
    Villani sagte: »Der Sonnyboy zeigt seiner Frau und den Kids den Arsch, hat sich ein Bärtchen, ’n kleinen Ohrring zugelegt und pflegt Umgang mit mörderischem Bikerabschaum? «
    Mark legte seinen Kuli auf die Schreibunterlage, betrachtete seine Hände, öffnete sie und ballte sie wieder zu Fäusten. Er hatte große Hände, drahtige Haare auf den Handrücken. »Hat dir in letzter Zeit mal jemand eine in die Fresse gehauen?«, fragte er.
    »Mach hier keinen auf harter Brocken, Jungchen«, sagte Villani. »Ich leg dich auf den Arsch. Ich bin dein Bruder. Ich sag dir, was du nicht hören willst.«
    »Was macht deine glückliche Familie?«, sagte Mark. »Fickst du immer noch alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist? Glaubst du, Laurie weiß das nicht? Ich hab mir von dir genug scheinheiliges Gelaber angehört.«
    »Du kannst mich mal.« Villani stand auf. Er war das schlecht angegangen, er ging alles schlecht an.

    »Setz dich«, sagte Mark. »Setz dich, Steve.«
    Villani setzte sich.
    »O Mann, du kommandierst einen ganz schön rum«, sagte Mark.
    »Das höre ich immer

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