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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Türkante zog. Leer.
    In der Küche lief der kleine Kühlschrank, das Gefrierfach war vereist. Leer.
    Wer zahlte die Stromrechnungen?
    »Chef.« Dove.
    Villani ging in das hintere Schlafzimmer, blieb in der Tür stehen.
    »Hier ist nichts«, sagte Dove, den Blick auf den Teppichboden neben dem abgezogenen Bett gerichtet. »Außer dem da.«

    Villani trat näher. Auf dem billigen dunklen Teppichboden ein noch dunklerer Fleck, groß.
    »Hier ist noch einer«, sagte Dove.
    »Tja«, sagte Villani. »Wir sollten die Frage stellen. Her mit ihnen. Fingerabdrücke, DNA, das Übliche. Hausdurchsuchung. Unter dem Fußboden, im Dach, überall.«
    Er ließ Dove allein warten, fuhr davon.

S ein Telefon klingelte, als er gerade auf dem Parkplatz eines kleinen Einkaufszentrums hielt, direkt gegenüber der Passage, die im Sprechzimmer seines Bruders endete. Es war Kiely.
    »Die Waffen in Kidds Wagen, dem von der Ring Road, passen nicht zu Metallic. Das steht hundertprozentig fest.«
    »Mist«, sagte Villani.
    »Nun zum Fahrzeug. Echte Nummernschilder. Registriert ist es auf einen Mann, der seit zehn Jahren nicht mehr gesehen wurde und damals sechsundachtzig war.«
    »Wieder Mist.«
    Ein stämmiger Mann, die langen, öligen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, kam aus der Passage und blieb am Bordstein stehen. Er entnahm seiner Jeansjacke eine große Wraparound-Sonnenbrille, setzte sie auf, sah sich um, zündete sich eine Zigarette an.
    Villani kannte ihn. Er hieß Kenny Hanlon, sie hatten ihn wegen eines gewissen Gaudio vernommen, ein kleiner Fisch im Drogengeschäft. Gaudios größtes Vergehen an der Gesellschaft bestand darin, dass er ein Abflussrohr in Melton verstopft hatte. Jemand, möglicherweise Kenny Hanlon, hatte seine Hände und Füße mit einem Stück Zaundraht gefesselt und ihm einen Apfel in den Mund gesteckt. Dann war ein schweres Fahrzeug über seinen Kopf gefahren, mehrmals.
    Villani beobachtete, wie Hanlon zu einem aufgemotzten schwarzen Holden ging, der dicht an ein paar mickrigen
Hecken in der hintersten Ecke parkte, auf dem Beifahrersitz Platz nahm, hinter dem dunklen Fenster verschwand.
    Villani wartete, dass der Holden abfuhr. Wartete.
    Mark kam aus der Passage, weißes, am Hals offenes Hemd, er blieb da stehen, wo Hanlon gestanden hatte, sah sich um, wandte sich nach links. Villani verlor ihn aus den Augen, bis er durch die struppige Hecke bei dem Holden kam, zu Hanlons Fenster ging, Villani die Sicht nahm.
    Er verspürte den heftigen Drang, nicht hinzusehen, den Wagen anzulassen, wegzufahren. Sich weiter um sein Tagwerk zu, kümmern. Doch er sah hin, und es schnürte ihm die Kehle zu, und sein Mund war trocken. Die dunkle Fensterscheibe glitt nach unten. Mark Villani stützte die Unterarme auf den Türrahmen, hatte den Kopf fast im Wagen.
    Nach einer knappen Minute richtete Mark sich wieder auf, klopfte auf das Dach des Holden und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Der Motor erwachte, der Fahrer ließ ihn aufheulen, der Wagen fuhr rückwärts, nach vorn, wieder rückwärts, bis ein Rad den Bordstein erklomm. Dann entkam er seiner Parklücke, fuhr an Villani vorbei, langsam, das Soundsystem mit seinen acht Boxen drohte Fensterscheiben zu zerbrechen, Autos einzudellen und die Gebrechlichen samt ihren Einkaufswagen wieder zurück in den Supermarkt zu pusten. Drei kurze Spiralantennen ragten schräg nach hinten aus dem Dach.
    Villani betrat die Arztpraxis seines Bruders. Ein alter Mann, zwei Frauen und ein Kleinkind, ein Mädchen, warteten, saßen auf weißen Plastikstühlen. »Sein Bruder würde gern mit Dr. Villani sprechen«, sagte er zu der Sprechstundenhilfe am Empfang, einer hageren Frau mit schwarz gefärbten Haaren und nachgezogenen Augenbrauen.
    Sie nahm den Telefonhörer ab. »Ihr Bruder ist hier, Herr Doktor. In Ordnung. Verstehe.« Sie lächelte Villani an. »Der Doktor nimmt Sie als Nächsten dran.«

    Villani setzte sich möglichst weit von den anderen entfernt, die Hände im Schoß. Er schloss die Augen, versuchte, an nichts zu denken, was misslang. Er öffnete die Augen. Die Kleine sah ihn an. Sie kam mit tapsigen, unsicheren Schritten auf ihn zu.
    »Dadda«, sagte sie. »Dadda.«
    »Shayna, lass den Mann in Ruhe«, sagte eine junge Frau in einer Herrenlederjacke. Unter dem Adamsapfel hatte sie eine Tätowierung rings um den Hals, ein blaues Stacheldrahtmuster. Die Kleine ignorierte sie, den Blick fest auf Villani gerichtet, machte noch einen Schritt, streckte die schwabbligen Ärmchen

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