Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
sich nicht moralisch überlegen, er war selbst fast daran zugrunde gegangen.

    »Warten«, sagte Dove. »Mir war nie klar, wie viel man warten muss.«
    »Das liegt am Fernsehen«, sagte Villani kauend. »Heutzutage halten sich diese Kriminaltechniker für die Rockband. Wir sind bloß Fußvolk, die Roadies.«
    »Darf man fragen, weshalb der Chefroadie nicht mehr die Metallic-Ermittlungen leitet?«, sagte Birkerts. »Oder ist das unverschämt?«
    »Mr. Kiely hat eine Chance verdient.«
    »Prima Timing. Wie lautet der Vorwurf?«
    Villani wollte nicht in Doves Gegenwart reden. »Mittlerweile tote Männer entkamen, während sie observiert wurden«, sagte er. »Die glauben, das hätte man besser machen können.«
    »Wie besser machen?«
    »Wenn sie’s mir sagen, verrat ich’s dir.«
    Ein heißer Wind war aufgekommen und schüttelte die struppigen vergessenen Bäume. Zwei Jugendliche in Overalls, ein großer und ein kleiner, kamen aus der Fabrik nebenan, standen da, rauchten, betrachteten sie, einer sagte etwas, beide lachten.
    »Nur die wahrhaft Unwissenden sind wahrhaft glücklich«, sagte Birkerts. »O-Ton mein Dad.«
    »Geistreich«, sagte Villani. »Eine alte schwedische Redensart? «
    »Da kann einer schwedische nicht von verdammten ukrainischen Redensarten unterscheiden«, sagte Birkerts und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Sein Handy klingelte. Er führte ein kurzes Gespräch, steckte das Gerät weg.
    »Also, was ist hier Sache?«, fragte er.
    »Wir haben keine Ahnung«, sagte Villani kauend, betrachtete die Jugendlichen, das Haus, wartete auf irgendein Zeichen.
    Birkerts seufzte. »Drei hoch qualifizierte Einsatzkräfte in einem Auto. Und sie haben keine Ahnung, wozu.«

    Ein Mann in Latzhose vor der Vordertür des Hauses. Er hob eine behandschuhte Hand.
    »Wie der Scheißpapst«, sagte Villani.
    »Dann mach ich mich mal auf den Weg«, sagte Birkerts. »Bis später, Roadies.«
    »Hab ich schon erzählt, dass die Knarren aus dem Ford nicht zu Oakleigh passen?«
    »Mr. Kiely hat’s gesagt.«
    »Ich will die Oakleigh-Waffe«, sagte Villani. »Ich will die Genugtuung, dass wir die Oakleigh-Waffe haben.«
    »Ich tue alles, um Ihnen Genugtuung zu verschaffen, Chef.«
    Villani und Dove überquerten die Straße, gingen auf dem Weg weiter, hintereinander durch die Vordertür, standen in dem halbdunklen Haus. Eine Frau füllte gerade verschiedene Flüssigkeiten in eine Sprühpumpe, der ekelerregende Geruch von Peroxid.
    »Der große Fleck«, sagte sie. »Es gibt noch andere. Wir sehen uns ein Stückchen des großen an. Um die DNA nicht zu versauen.«
    Ein Mann schob sich um sie herum. »Auf Video aufnehmen? «, sagte er.
    »Nein«, sagte der Leiter der Operation. »Rollos runter, Wayne.«
    Wayne verdunkelte den Raum. Eine Taschenlampe ging an, beleuchtete das Zimmer.
    Der Chef sagte: »Gut, dunkel genug. Gerry.«
    Gerry sprühte den Teppichboden ein.
    »Aus.«
    Klick. Sie standen im Dunkel da, blind.
    Ein kleines Stück Teppichboden begann zu leuchten, fluoreszierend blau.
    »Ah ja«, sagte die Frau vergnügt. »Blut. Jede Menge Blut.«

V illani ging zum Wagen zurück, telefonierte wegen Lizzie. Sie stand auf allen Suchlisten. Er steckte das Handy weg und lehnte sich zurück, schlief zehn Minuten, bis sein Kopf runtersackte. Er setzte sich auf, hatte einen trockenen Mund, war durstig.
    Ein Bild tauchte auf: Der lange zurückliegende Donnerstag im Winter, die lange Fahrt auf der verschneiten Straße, Singleton und Burgess vorne, Burgess’ schauderhafte Witze. Er verstand nicht, warum Singo sich das antat, wusste noch, wie er sich damals wünschte, er hätte sich nie zum Morddezernat versetzen lassen, wie er sich ins Raubdezernat zurücksehnte, wo man nicht stundenlang durch die Gegend fuhr. Der Tag erstarb hinter den Bergen, es nieselte pausenlos, als sie den blöden Van neben der Landstraße stehen sahen. Der Cop winkte sie mit stoischer Miene auf den Pfad, sie gingen etwa zweihundert Meter weit.
    Sie war nackt, sie war klein, erbärmlich dünn, die Rippen standen vor, langer Hals. Etwas hatte ihre Mundwinkel aufgeschnitten. Es dauerte Wochen oder Monate, sie zu identifizieren, er hatte sich mit anderen Dingen befasst, sie war nicht von dort, mehr wusste er nicht. Aus Darwin, irgendwo weit weg …
    Sein Handy.
    »Das dürfte Sie interessieren, der zweite Mann ist ein Raymond Judd Larter, achtunddreißig Jahre alt«, sagte Kiely. »Leider hat sich herausgestellt, dass er ebenfalls bei der Special
Operations

Weitere Kostenlose Bücher