Wahrheit (Krimipreis 2012)
gewesen, vier- oder fünfmal gefickt, das war’s. Laurie wusste Bescheid, sie hatte keine Beweise, doch sie wusste es. Frauen wissen so was, sie entnahm es seiner Körpersprache, seiner Stimme.
»Bin mir nicht ganz sicher, wo wir sind, Chef«, sagte Dove. »Das GPS funktioniert nicht.«
Villani sah sich um. Sie fuhren auf der Plenty Road. »Meine Güte, wie sind Sie denn hierhergekommen?«
»Kenn mich hier nicht aus in dieser Gegend.«
»Cops verfahren sich nicht«, sagte Villani. »Sie machen sich abends mit Melways vertraut, dem Straßenatlas, sie schlagen darin nach, bevor sie in den Wagen steigen. Man braucht kein abgeschlossenes Hochschulstudium, um sich im Melways auszukennen. Kein Wunder, dass die Feds das GPS benutzen, wenn sie ihren Pimmel suchen.«
Er beschrieb Dove den Weg. Nach einer Weile überquerten sie die Eisenbahnstrecke, fanden die Straße, die Nummer, parkten vis-à-vis. Das Haus stand hinter einem zwei Meter hohen Wellblechzaun, nur die Dachziegel waren zu sehen. Sie gingen hinüber. Eine Kette samt Vorhängeschloss sicherte die
beiden Torflügel vor der Einfahrt. Villani spähte durch eine Lücke. Er sah nicht viel.
Sie riefen, hämmerten gegen das Tor.
»Wir brauchen hier einen Durchsuchungsbeschluss«, sagte Villani. »Genau nach Vorschrift.«
»Wessen Vorschrift ist das?«, sagte Dove.
Villani telefonierte. Sie setzten sich in den Wagen. Er bot Dove eine Zigarette an. Eine Weile verging, sein Blick wanderte in Richtung Nordosten, wo der Himmel stumpf gelbbraun war, eine gewaltige, durch Staub und Rauch geschaffene Blüte. Von den Hügeln aus sah man die Stadt in ihrer eigenen Hitze flirren.
Er rief Bob an. Niemand ging dran. Zweiter Versuch.
»Villani«, sagte Bob.
»Ich. Was ist los?«
»Gar nichts. Gestern Abend kam ich bis Flannerys Farm, ehe der Wind drehte. Ist immer noch im Nordwesten. Uns dürfte nichts passieren.«
»Und Flannery?«
»Ein paar Schafe sind angesengt. Jetzt mussten sie erschossen werden, was sauteuer ist. Die Feuerwehr hat ihn bedrängt, sie gestern wegzubringen, er wollte nichts davon hören. Der Mann ist gaga.«
»Was sagen sie von dir?«
»Mann, die Arschgeigen kennen mich. Sie halten den Mund.«
Husten, räuspern. »Hör zu, die Frau des Doktors hat angerufen. Gestern Abend.«
Karin. Marks Frau Nummer zwei. Nummer eins hieß Janice, eine Krankenschwester aus Cobram, die schwanger war, als sie heirateten, kurz nachdem er seine Facharztausbildung begonnen hatte, sie verlor das Kind früh. Kein Jahr später trennten sie sich.
Mark arbeitete sich die medizinische Leiter hinauf, dann
kam Karin, eine Forscherin, irgendwas mit Blut, auch ihr Vater kannte sich mit Blut aus, Mr. David Delisle, ein Allzweckchirurg, der alles aufschnitt, was ihm unters Skalpell kam. Villani lernte ihn bei der Hochzeitsfeier in Kew kennen, Backsteinvilla, schmiedeeisernes Tor. Mrs. Delisle machte ihm schöne Augen, hübsche Person, wenn man auf sehnige Fitnessfreaks stand, die etliche Botoxbehandlungen hinter sich hatten. Der Skalpellmann hatte porenlose Haut, seidiges Haar, fast wie ein Greyhound, aber ohne das Feinnervige.
Vom ersten Handschlag an kamen Bob Villani und David offenbar blendend miteinander klar. Vielleicht erkannten sie in dem jeweils anderen den geborenen Mörder. Auch Karin und Bob verstanden sich gut, sie hatte als Kind mit Ponyreiten angefangen, war in Pferde vernarrt, konnte die Finger nicht von ihnen lassen. Vor ihrer Schwangerschaft fuhr sie an freien Tagen zur Ranch, übernachtete dort. Villani kam der Gedanke, dass sie ihren Vater liebte und das auf Bob übertrug. Die Männer hatten die gleiche Ruhe, den gleichen taxierenden Blick. Sie vermittelten den Eindruck, nötigenfalls im Dunkeln allein mit Hilfe des Tastsinns und unter Verwendung eines halbwegs scharfen handelsüblichen Taschenmessers eine Blinddarmoperation durchführen zu können.
»Was hat sie gesagt?«, fragte Villani.
»Tja, zuerst sagt sie was zu den Bränden. Dann bricht sie in Tränen aus, Mark ignoriert sie komplett, kommt nicht mal zur Geburtstagsparty des Kindes nach Hause. Und so weiter. «
»Tragisch«, sagte Villani. Er wollte Bob nichts über Lizzie erzählen.
»Red mit ihm«, sagte Bob. »Sprich mal mit dem Doktor.«
»Sei vernünftig«, sagte Villani. »Über solche Sachen kann man mit Typen nicht reden.«
»Er ist kein Typ, sondern dein Bruder. Auf dich hört er.«
»Wieso, meine herrische Art?«
»So was in der Art. Gib ihm ’nen Arschtritt.«
»Der Junge
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