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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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finden Sie raus, ob die Hos Kinder haben. Kleine Hos. Und Enkel. Konzentrieren Sie sich auf die männliche Linie.«

D as Apartment lag in einem Backsteinhaus ein paar Straßen von der Brunswick Street entfernt. Villani kannte das Haus aus der Zeit, als er achtzehn war, es stand leer, war verrammelt. Eines frühen Morgens waren sie dort gewesen, um Hausbesetzer zu vertreiben, er erinnerte sich an verschlafene, draufgängerische Frauen und Männer mit schmutzigen Haaren und mindestens zwei Gitarren.
    Die Möbelpacker trugen erstaunlich viele Verstärker heraus. Fender, Vox, Marshall, die aussahen, als wären sie oft fallen gelassen und getreten worden.
    Die Tiefgarage ging von einer vollgepissten und vollgekotzten Gasse ab, man betrat sie durch ein mit Graffiti beschmiertes Rolltor, das Birkerts mit einer Fernbedienung öffnete. Eine Betontreppe führte zu einer Stahltür, die sich mit einem Schlüssel öffnen ließ.
    Villani folgte Birkerts noch mehr Betontreppen hinauf zu einem langen Treppenabsatz, wo sie links abbogen. Auch die Vordertür des Apartments war aus Stahl, genietet. Dahinter lag ein langes Zimmer mit hohen Wänden, alles in Jarrahholz, Granit und rostfreiem Stahl gehalten, ein Sitzbereich, ein Fernsehbereich, ein Koch- und Essbereich. Der Tisch aus zehn Zentimeter dicken Eukalyptusplatten mit Platz für zwölf Personen könnte auch als Schutz vor einem Raketenangriff dienen.
    »Mehr, als ich erwartet hatte«, sagte Villani. Er ging zu dem Fenster, sah hinter den Baumwipfeln die Hochhäuser des Zentrums, die im rauchigen Dunst verschwammen.

    »Sie wollte von dem Burschen in bar ausgezahlt werden«, sagte Birkerts. »Er bietet ihr eine Million. Nehmen Sie’s, sagt ihr Winkeladvokat. Ich sagte: die gemeinsame Eigentumswohnung, ein neues Auto plus fünfhundert Riesen. Nach letzter Schätzung, Rezession und so weiter mit eingerechnet, ist der Vergleich heute eins Komma acht Millionen wert.«
    »Erstaunlich«, sagte Villani. »Welch weise Voraussicht.«
    »Vor langer Zeit sagte mein alter Herr: Innenstadt, da spielt der Preis keine Rolle. Mein Dad traf immer ins Schwarze.«
    »Ich erinnere mich, dass er auch sagte, nur die wirklich Unwissenden sind wirklich glücklich«, sagte Villani. »Schließt das die wirklich Unwissenden in Sachen Immobilienschnäppchen mit ein?«
    »Ich wünschte, ich hätte dir das nicht erzählt«, sagte Birkerts. »Du vergisst nie etwas, und dann wartest du ab. An beiden Enden befinden sich Schlafzimmer. Jeweils mit Bad.«
    »Ich finde eins.«
    »Okay. Ich will keinen Blick in den Kühlschrank werfen. Schmeiß den vergammelten Kram raus, ja? Im Schrank ist Alk.«
    Sie gingen zur Tür. Birkerts gab ihm einen Schlüsselbund. »Summer, die Schlüssel. Müllanweisungen auf dem Kühlschrank. «
    »Danke dir«, sagte Villani. »Erwarte aber keine Gefälligkeiten. «
    »Mist«, sagte Birkerts, »hatte mir schon Hoffnungen gemacht. « Er sah sich um. »Hab selber gewisse häusliche Schwierigkeiten.«
    Villani sah ihn nicht an, so etwas animierte zu Beichten.
    »Der Job macht einen kaputt, das steht fest«, sagte Birkerts. »Fragst du dich manchmal, warum du ihn machst?«
    Ein Augenblick der Stille.
    »Es vergeht kein Tag«, sagte Villani. »Man darf sich nur nicht zusammenrollen und liegen bleiben.«

    Dass du dich nicht zusammenrollst und liegen bleibst.
    Bob Villanis Anweisung. Bob und Cameron, Colby, Singo und Les, alle Männer in seinem Leben hatten ihm jede Menge Anweisungen erteilt.
    Ob Bob sich je zusammengerollt hatte? Als er in Vietnam auf sich allein gestellt war, ein Einzelkämpfer in der Fremde, unter Fremden, so weit weg von zu Hause, hatte er sich in seinem Schlafsack eingerollt und gewinselt? Wenigstens einmal? Ein winziger Schluchzer?
    Eher unwahrscheinlich.
    »Zusammenrollen?«, sagte Birkerts.
    »Wenn man besonders starkes Selbstmitleid hat, legt man sich hin und rollt sich zusammen«, sagte Villani.
    »Hast du das mal gemacht?«
    »Es vergeht kein Tag. Wir sehen uns morgen früh.«
    Als er allein war, suchte er sich ein Schlafzimmer aus. Es war so groß wie eine Doppelgarage, weiße Wände, kahl. Das Bett war gemacht. Er tat seine Klamotten in einen begehbaren Kleiderschrank, eher ein Zimmer, ging zurück und inspizierte den Kühlschrank: feste Milch, schlaffer Koriander, zwei schlappe Gurken, kein Fleisch.
    Dutzende Flaschen mit Wein, Spirituosen, Getränken zum Mischen in dem Getränkeschrank. Whisky und Soda. Es gab Eis. Er setzte sich in einen Ledersessel, ließ das

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