Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
wird sagen, es sei ein vorsätzlicher Racheakt geweiten.«
»Vielleicht war es das ja auch«, murmelt Andrew.
»Um Gottes willen, sag das bloß nicht im Zeugen- Stand.«
Er fährt mich an. »Dann denk du dir eine Geschichte aus, verdammt noch mal. Sag mir, was ich sagen soll, und ich tu's.«
Jedem anderen Verteidiger würde das genügen, denke ich: ein Mandant, der bereit ist zu tun, was ich sage. Aber diesmal ist es anders, denn was ich auch immer für eine Fassade vor der Wahrheit errichte, wir beide wissen, daß sich etwas darunter verbirgt. Andrew will mir nicht mehr erzählen, und auf einmal will ich es auch gar nicht hören. Also fische ich einen Satz aus dem Treibsand zwischen uns. »Andrew«, sage ich dumpf, »ich lege das Mandat nieder.«
Fitz versucht, Feuer zu machen. Er hat seine Brille auf den staubigen Boden gelegt und richtet sie in einer direkten Linie zur Sonne aus, damit sich das zusammengeknüllte Stück Papier darunter entzündet. »Was machst du da?« frage ich, als ich auf den Trailer zugehe und meine Krawatte lockere.
»Pyromanieexperimente«, sagt er.
»Wieso?«
»Weil ich es kann.« Er schielt in die Sonne, bewegt die Brille dann ein bißchen nach links.
»Ich hab Andrew gesagt, ich leg das Mandat nieder.«
Fitz wippt auf den Fersen nach hinten. »Wieso das?«
»Weil ich es kann.«
»Nein eben nicht«, wendet er ein. »Das kannst du Delia nicht antun.«
»Ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn deine eigene Frau dich anschaut und denkt: >Ach ja, das ist der Mann, der meinen Vater für zehn Jahre hinter Schloß und Riegel gebracht hat.<«
»Meinst du nicht, es wird schlimmer für sie sein, wenn du ihren Vater nicht verteidigst?«
»Ich weiß nicht, Fitz«, sage ich scharf. »Das, was du machst, wird sie auch nicht begeistern.«
»Was wird mich nicht begeistern?« sagt Delia, die aus dem Trailer kommt. Sie blickt von mir zu Fitz. »Was ist los?«
»Ich versuche zu verhindern, daß dein Verlobter sich wie ein Arschloch benimmt.«
Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. »Kümmer dich einfach um deinen Kram, Fitz.«
Willst du es ihr nicht erzählen?« sagt er provozierend.
Ja sicher«, sage ich. »Fitz schreibt für seine Zeitung über den Prozeß.« Sofort komme ich mir wie ein Idiot vor.
Delia macht einen Schritt zurück. »Im Ernst?« sagt sie gekränkt.
Fitz läuft vor Wut rot an. »Frag Eric doch mal, was er heute gemacht hat!«
Mir reicht's. Erst die Anhörung bei Richter Noble, dann der Streit mit Andrew und jetzt das hier. Ich packe Fitz und ringe ihn zu Boden, stoße seine Brille zur Seite, als wir uns im Staub wälzen. Fitz ist stärker geworden, seit wir uns zuletzt gebalgt haben, was eine Ewigkeit her ist. Er drückt mir das Gesicht in den Sand, seine Hand fest in meinem Nacken. Mit einem Ellbogenstoß in seinen Bauch schaffe ich es, die Oberhand zu gewinnen, und dann klingelt plötzlich mein Handy.
Ich fische es aus meiner Tasche und blicke ratlos auf die Nummer im Display. »Talcott«, melde ich mich.
»Hier spricht Emma Wasserstein. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß ich noch einen Zeugen auf meine Liste setze. Der Mann heißt Rubio Greengate. Er hat Ihrem Mandanten 1977 zwei Identitäten verkauft.«
Ich gehe hinter den Trailer, damit Delia nicht mithören kann. »Damit können Sie mich doch nicht einlach so überrumpeln«, sage ich fassungslos. »Ich erhebe Einspruch, wenn Sie den Antrag stellen.«
»Von Überrumpeln kann keine Rede sein. Sie haben noch zwei Wochen Zeit. Das Polizeiprotokoll seiner Vernehmung haben Sie morgen früh auf dem Schreibtisch.«
Damit hat die Staatsanwaltschaft einen Zeugen, der Andrew direkt mit der Entführung in Zusammenhang bringen kann - und aus Gründen, die ich noch nie verstanden habe, hängen Geschworene an den Lippen von Zeugen, auch wenn deren Aussagen nicht unbedingt richtig sind. Ich öffne den Mund, um Emma zu sagen, daß mir das völlig egal ist, weil ich ab sofort nichts mehr mit dem Fall zu tun habe, doch statt dessen lege ich auf und gehe zurück zu Delia, die inzwischen allein ist.
Sie sieht aus, als täte ihr etwas weh. Und ist das ein Wunder? Man erfährt schließlich nicht alle Tage, daß man von jemandem, dem man vertraut, hinterrücks belogen wurde. Für Delia wird das langsam normal. »Ich hab Fitz gesagt, er soll sich zum Teufel scheren«, sagt sie leise. »Ich hab gesagt, den Satz könnte er ruhig wortwörtlich und fettgedruckt zitieren.« Sie blickt mich an. »Ich hätte mir denken können, daß
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