Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
er aus beruflichen Gründen hier ist, sonst hätte er den weiten Weg wohl kaum gemacht.«
    »Auch wenn du's vielleicht nicht glaubst«, sage ich, »aber ich denke, er wollte über diese Story genauso wenig schreiben, wie du willst, daß darüber geschrieben wird.«
    »Ich hab ihm Sachen erzählt, die ich nicht mal dir erzählt hab ... Gott, Eric, ich hab ihn sogar mitgenommen, als ich das letzte Mal bei meiner Mutter war.« Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht. »Was war denn noch?«
    Was meinst du?«
    »Fitz hat gesagt, du wolltest mir was sagen. Gibt es Probleme mit dem Prozeß?«
    Sie blickt mich mit ihren wunderschönen braunen Augen an, diesen Augen, die ich von tausend Momenten meines Lebens in Erinnerung habe: der Sonntag in den Sommerferien, als ich vor ihr angeben wollte und Im Freibad vom Zehnmeterbrett sprang; die Nacht, als wir uns das erste Mal liebten.
    Links von ihrem Fuß fängt das Papierknäuel, das Unter Fitz' Brille lag, plötzlich an zu brennen.
    »Es gibt keine Probleme«, lüge ich, und ich sage ihr auch nicht, daß ich aufgeben werde.
    Der Nachthimmel in Arizona ist atemberaubend. Sophie und ich sitzen in eine Decke eingehüllt auf dem Dach des Trailers. Ich zeige ihr den Großen Bären und den Oriongürtel, und einen flimmernden roten Stern, der ein Planet sein muß. Sie interessiert sich aber viel mehr für die Buchstaben, die sie in den Sternen entdecken kann. Heute morgen war der Umschlag von einer meiner Akten auf dem Küchentisch vollgemalt mit dem Buchstaben B. »Daddy«, sagt sie und zeigt nach oben. »Ich sehe ein W.«
    »Schön.«
    »Da ist noch ein W.«
    Es ist Vollmond, und als Sophie den Finger zum Himmel streckt, kann ich das Trio deutlich erkennen: W-O-W. Ich zähle die Buchstaben auf, und zu meiner Überraschung setzt Sophie sie zu einem Wort zusammen: Wow! »Das hat Ruthann mir beigebracht«, sagt sie stolz. »Und noch andere Wörter.«
    Als sie sich auf meinen Schoß setzt, wird mir plötzlich klar, daß ich Sophie überall bis in alle Ewigkeit suchen würde, wenn jemand sie mir wegnähme, selbst wenn dieser Jemand Delia wäre. Ich würde jeden einzelnen Stern umdrehen, wenn es nötig wäre, um sie zu finden. Aber wenn ich umgekehrt wüßte, daß jemand sie mir wegnehmen wollte, würde ich sie mir vorher schnappen und mit ihr verschwinden, das schwöre ich.
    Plötzlich steht Sophie auf und beugt sich mit dem Kopf ganz tief nach unten, so daß sie durch ihre Beine sehen kann. Sie schaut aus diesem Blickwinkel zum Himmel, während ich Angst bekomme, sie könnte vom Trailer fallen. »Hast du gewußt«, sagt sie erstaunt, »daß WOW anders herum MOM heißt?«
    Irgendwann nach Mitternacht kommt auch Delia aufs Dach geklettert und setzt sich im Schneidersitz hinter mich. »Mein Vater muß ins Gefängnis, nicht?« sagt sie.
    Ich lege Sophie behutsam auf ein Bett aus Decken; sie ist an mich gelehnt eingeschlafen. »Bei einem Geschworenenprozeß kann man nie sagen -«
    »Eric.«
    Ich senke den Kopf. »Gut möglich.«
    Sie schließt die Augen. »Für wie lange?«
    »Höchstens zehn Jahre.«
    »In Arizona?«
    Ich lege den Arm um sie. »Reden wir darüber, falls es überhaupt passiert.«
    Unter dem Mond, der uns mit Luchsaugen beobachtet, streiche ich mit den Händen über den Strom ihrer Haare und die Landschaft ihrer Schultern. Wir kriechen zusammen in meinen Schlafsack, und sie legt sich auf mich, ihre Beine an meine gepreßt, ihre Haut so glatt. Wir müssen leise sein - Sophie schläft direkt
    neben uns - und das verändert den Tenor des Aktes, Ohne Worte entfalten sich alle anderen Empfindun-gen. Der Sex wird drängend, heimlich, präzise wie ein Ballett .
    Wir bewegen uns, während Kojoten durch die Wüste schleichen und Schlangen verschlüsselte Bot-schaften in den Sand schreiben. Wir bewegen uns, während die Sterne wie Funken auf uns herabregnen. Wir bewegen uns, und ihr Körper erblüht.
    Dann drehen wir uns auf die Seite, noch immer verbunden, zu nah, als daß sich irgend etwas zwischen uns drängen könnte. »Ich liebe dich«, flüstere ich an ihrer Haut. Meine Worte fallen in die kleine Furche unten an ihrem Hals, die Narbe von einem Rodelunfall.
    Aber Delia hat die Narbe schon, seit ich sie kenne, mit vier. Der Rodelunfall muß also davor passiert sein, als sie in Phoenix gelebt hat.
    Wo es nicht schneit.
    »Dee«, sage ich aufgeregt, aber sie schläft schon.
    In derselben Nacht träume ich, wie ich über die Oberfläche des Mondes laufe, wo alles leichter wiegt,

Weitere Kostenlose Bücher