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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Flasche Whiskey auf.
    Sie ist halb voll.

FITZ
    Es dauert eine Weile, bis Sophie in meinem Motelzimmer eingeschlafen ist. Greta liegt zusammengerollt am Rand des Bettes wie ihre Wächterin. Dann mache ich mit dem kleinen Tauchsieder im Bad Wasser für Tee heiß. Ich bringe Delia eine Tasse nach draußen, wo sie in einem der Plastikcampingstühle mit Blick auf den Parkplatz sitzt.
    »Also«, sagt sie. »In den letzten knapp zwölf Stunden habe ich erfahren, daß ich als Kind mißbraucht worden bin und daß mein Verlobter wieder angefangen hat zu trinken. Würde mich nicht wundern, wenn ich jeden Augenblick Krebs kriege.«
    »Sag so was nicht«, erwidere ich.
    »Einen Gehirntumor.«
    »Hör auf.« Ich setze mich neben sie.
    »Was hat er da alles im Gerichtssaal von sich gegeben«, sagt sie. »Hat Eric sich eigentlich nicht selbst zugehört?«
    »Er wollte es vielleicht nicht«, räume ich ein. »Ich denke, er hätte lieber geglaubt, daß er so ist, wie du ihn haben wolltest.«
    »Willst du damit sagen, daß es meine Schuld ist?«
    »Nein. Genauso wenig wie das andere die Schuld deines Vaters ist.«
    Ihr Mund klappt zu, und sie trinkt einen Schluck Tee. »Ich hasse es, wenn du recht hast«, sagt sie. Und dann sanfter: »Wie kann man eine Uberlebende sein, wenn man sich nicht mal an den Krieg erinnern kann?«
    Ich nehme ihr die Tasse weg, stelle sie ab und lege ihre Hand flach auf meine, dann dreh ich sie um, als wollte ich ihr die Zukunft lesen. Ich fahre mit einem Finger über die Lebenslinie und die Liebeslinie, dann mit zwei Fingern über die Sehnen ihres Handgelenks. »Es wird sich dadurch nichts ändern«, sage ich zu ihr. »Egal, was dein Vater im Zeugenstand gesagt hat. Du bist derselbe Mensch wie der, der du warst, bevor er es gesagt hat.«
    Sie schiebt mich weg. »Was wäre, wenn du erfahren würdest, daß du mal ein Mädchen warst, Fitz? Und daß du operiert worden bist und du dich aber an rein gar nichts erinnern könntest?«
    »Das wäre ja undenkbar«, erwidere ich, als sich mein männlicher Stolz meldet. »Ich müßte doch Narben haben.«
    »Na, meinst du denn, ich habe keine? Was glaubst du, was hab ich noch alles vergessen?«
    »Entführung durch Außerirdische?« witzele ich.
    »Nein, bloß ganz schlicht durch einen Menschen«, sagt sie mit Bitterkeit in der Stimme.
    »Willst du mal statt dessen ein paar von meinen Kindheitserinnerungen hören? Wie wär's mit der, als mein Vater meine Mutter einen Monat lang allein gelassen hat, weil er nicht aus den Spielkasinos in Vegas rauskam? Oder die, wie sie ihn mit einem Küchenmesser bedroht und sagt, er soll es ja nicht wagen, sein Flittchen noch einmal mit in ihr Haus zu bringen. Oder vielleicht gefällt dir ja die, wie sie mal ihren ganzen Valiumvorrat geschluckt hat und ich den Notarzt rufen mußte.« Ich blicke sie an. »Sich an vergangenes Elend zu erinnern ist gar nicht so toll, wie die Leute immer sagen.«
    Verdrossen blickt Delia auf ihren Schoß. »Ich weiß einfach nicht mehr, worauf ich mich verlassen kann.«
    Bei ihren Worten wird mir kalt. »Delia, ich muß dir was sagen.«
    »Daß du vor der Operation ein Mädchen warst?«
    »Nein, im Ernst«, sage ich. »Ich hab gewußt, daß Eric wieder trinkt.«
    Sie weicht langsam zurück. »Was?«
    »Als ich vor zwei Tagen bei euch war, hab ich eine Flasche im Bad entdeckt.«
    »Warum hast du mir nichts gesagt?« sagt Delia verletzt.
    »Warum erzählt keiner von uns dir was?« erwidere ich. »Wir lieben dich.«
    Ich sage das so laut, daß ein Bussard in der Dunkelheit hochschreckt und mit einem Schrei zum Himmel aufsteigt. Delia denkt über meine Worte nach, und dann blickt sie mich an. »Wie läuft's mit meinem buch?« fragt sie leise.
    »Ich hab nicht mehr dran gearbeitet«, sage ich. Meine Kehle hat sich so eng zugezogen wie ein Nadelöhr. »Ich hatte zu tun.«
    »Vielleicht kann ich dir dabei helfen«, schlägt Delia vor, und sie küßt mich erneut.
    Sie entspannt sich in meinen Armen, und obwohl ich verstehe, daß sie sich verlieren will, warte ich einfach schon zu lange darauf, daß sie das zuläßt. Ich grabe die Finger in ihr Haar und löse die Spange, die es zusammenhält. Ich öffne die Knöpfe ihres Pyjamaoberteils, in dem sie hergekommen ist. Ich male ihr meine Initialen auf den Rücken.
    Als sie anfängt, meinen Gürtel aufzuschnallen, packe ich ihr Handgelenk. Wir können nicht ins Zimmer, wo Sophie schläft, deshalb ziehe ich sie auf den Rücksitz des Mietwagens, der direkt vor uns parkt. Es

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