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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
Autoren: Jodi Picoult
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ein Tier, als Delia ins Kreuzverhör zu nehmen, als Chris Hamilton meinen Arm packt. »Wenn du diese Bombe nicht zündest«, flüstert er, »können wir einpacken.«
    Also stehe ich auf. Vergib mir , flehe ich lautlos. Ich tue das nur für dich. »Du kannst dich wirklich nicht daran erinnern, daß Victor Vasquez dich sexuell mißbraucht hat?«
    Sie blickt mich an, verblüfft. Was sie im Augenblick ganz sicher nicht von mir erwartet hat, ist der spöttische Unterton in meiner Stimme. »Ich glaube, so etwas würde man nicht so leicht vergessen«, sagt sie.
    »Mag schon sein«, entgegne ich kühl. »Aber andererseits kannst du dich ja auch nicht daran erinnern, daß du gekidnappt wurdest.«
    Ich wende mich von Delia ab, ehe ich sehen kann, wie viel Schaden ich angerichtet habe.
    Und dann ist es Emma, die eine Unterbrechung braucht. Der Staatsanwältin platzt nämlich die Fruchtblase, kaum daß der Richter eine Pause angeordnet hat. Ein Rettungswagen bringt sie ins Krankenhaus, und das Gericht vertagt sich für fünf Tage.
    Ich finde Delia und Fitz eine Etage höher in einem Besprechungsraum, wohin sie sich vor dem Ansturm der Medien geflüchtet haben. Delia wirkt noch immer verunsichert, aber mittlerweile ist sie auch wütend. »Wie konntest du mir das antun?« wirft sie mir vor. »Du hast dir das alles bloß ausgedacht.«
    Kopfschüttelnd gehe ich auf sie zu. »Ich gebe dir mein Wort, Dee, das war keine taktische Verteidigungsmasche. Ich hatte keine Ahnung, daß das passieren würde.«
    Als sie den Kopf hebt, bricht es mir das Herz. »Und wieso weiß ich dann nicht, daß es passiert ist?«
    Weil ich ein Feigling bin, drücke ich mich vor der Antwort. »Ich muß in die Haftanstalt«, sage ich sanft. »Ich muß jetzt mit deinem Vater sprechen.« Ich lege ihr kurz eine Hand auf die Schulter und verlasse dann den Raum. Ich eile so schnell ich kann ins Untersuchungsgefängnis und bitte darum, Andrew zu sprechen.
    Ich sage kein einziges Wort, warte einfach ab, bis er Platz genommen hat. »Was passiert jetzt?« fragt er schließlich.
    »Tja«, sage ich, »wie wär's, wenn du mir erzählst, was das verdammt noch mal sollte?«
    Er verknotet die Hände auf dem verkratzten Tisch, drückt den Daumennagel in eine Kerbe im Holz. »Was für ein Mann macht sich an eine Frau ran, die verheira tet ist, offensichtlich Alkoholikerin und ein kleines Mädchen hat? Das kannst du dir doch selbst ausrechnen, Eric.«
    »Andrew«, erkläre ich frustriert, »du kannst kurz vor Ende eines Prozesses nicht einfach so einen Über-raschungscoup landen. Wieso hast du vorher kein Wort davon gesagt? Das wäre für mich die perfekte Verteidigung gewesen.«
    »Ich habe es geschafft, sie all die Jahre davor zu bewahren, damit sie ein normales Leben führen kann.«
    Ich fahre mir mit den Händen durchs Haar. »Andrew, wir haben keine Beweise dafür. Delia kann sich nicht mal daran erinnern.«
    Doch noch während ich das sage, fallen mir kleinste Einzelheiten ein, Hinweise, die mich hätten hellhörig machen müssen. Zum Beispiel als wir zum ersten Mal über Victor und Andrews Vorstrafe wegen Körperverletzung gesprochen haben: Ich habe ihn gesehen , hatte Andrew gesagt, ich habe gesehen, wie er sie angefaßt hat.
    Elise? hatte ich gefragt, und er hatte eine halbe Sekunde gezögert, bevor er nickte.
    Oder der medizinische Bericht, den Delia und ich zusammen durchlasen. Wir hatten uns nur auf den Skorpionstich konzentriert. Ich fand es nicht ungewöhnlich, daß der Arzt vermerkte, die kleine Patientin habe sich gewehrt, als man sie für die Untersuchung ausziehen wollte. Oder daß bei einer Vierjährigen eine Harnwegsinfektion festgestellt worden war.
    »Was passiert jetzt?« wiederholt Andrew.
    Was jetzt passiert, ist einfach: Sobald Emma Wasserstein ihr Kind zur Welt gebracht hat, wird sie beantragen, Andrews Enthüllung als Beweismittel auszuschließen. Der Richter wird geneigt sein, ihren Antrag zu bewilligen. Die Geschworenen - ohnehin schon skeptisch, denn wer in der letzten Minute so eine
    Bombe platzen läßt, kann doch nur ein Lügner sein -werden gebeten, der Aussage keine Beachtung zu schenken. Und Andrew, der die Entführung praktisch im Zeugenstand zugegeben hat, wird schuldig gesprochen.
    Ich möchte nicht, daß er hier fünf Tage lang hockt und denkt, daß er jetzt endgültig in den Knast wandert. Ich kann ihn wenigstens so lange vor seinen düsteren Zukunftsprognosen bewahren. Deshalb blicke ich ihm in die Augen und lüge ihn an. »Ich weiß es
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