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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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nicht, Andrew.«
    Erst als ich das Gefängnis verlasse, wird mir klar, daß ich nicht besser bin als er.
    Ks dämmert bereits, als ich nach Hause komme. Delia sitzt auf den Stufen des Trailers und streichelt Greta. »He«, sage ich und knie mich vor sie hin. »Wie geht's dir?«
    »Sag du's mir«, erwidert sie spröde und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. »Wie's aussieht, weiß ich selbst absolut nichts mehr über mich.«
    Als ich mich neben sie setze, steht Greta auf und entlernt sich, als wüßte sie, daß ich jetzt die Rolle des Beistands übernommen habe. »Wo ist Sophie?«
    »Schläft schon.«
    »Und Fitz?«
    »Ich hab ihn nach Hause geschickt«, sagt sie. Sie zieht die Knie hoch und schlingt fest ihre Arme darum. »Weißt du, wie oft ich bei Einsätzen nach Leuten suchen muß, die mir erzählen, sie hätten erst gemerkt, daß sie vom Weg abgekommen sind, als es schon zu spät war? Wanderer, die den falschen Trail nehmen, Camper, die die Karte falsch gelesen haben - alle behaupten, sie hätten gedacht, sie wären ganz woanders.«
    Sie blickt mich an. »Ich habe ihnen das nie so richtig geglaubt, bis jetzt.«
    »Hör mal, mein Herz -«
    »Ich will nicht mehr zuhören, Eric. Ich will mir nicht mehr sagen lassen, wer ich mal war. Ich will mich selbst dran erinnern, verdammt noch mal.« Tränen schwimmen in ihren Augen. »Was ist denn bloß los mit mir?«
    Ich will sie in die Arme ziehen, doch sobald meine Hände über ihre Schulterblätter gleiten, erstarrt sie.
    Er streichelte ihr den Rücken ...
    Seine Hände glitten unter ihren ...
    Sie blickt mich an und Tränen stehen in ihren Augen. »Sophie«, sagt sie. »Sie war mit ihm allein.«
    »Du hast sie rechtzeitig gefunden«, beruhige ich sie, weil ich es selbst glauben muß. Sie senkt den Kopf, in Gedanken verloren. »Ich bin drin, wenn du mich brauchst«, sage ich.
    Sie streicht sich das Haar hinter die Ohren und nickt. Aber das Finden war für Delia ja nie ein Problem. Das Verlorensein muß sie bewältigen.
    Was uns Menschen ausmacht, ist die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen. Ich könnte diese Flasche jederzeit hinstellen oder weitertrinken, bis sie leer ist. Ich kann mir sagen, daß ich genau weiß, was ich tue. Ich kann mir einreden, daß ein paar Gläser doch gar kein Problem sind, daß erheblich mehr vonnöten wäre, um mich in ein Loch abrutschen zu lassen, aus dem ich allein nicht mehr herausklettern kann.
    Und dann, oh Gott, dieser Geschmack. Der torfige Rauch ganz hinten in der Kehle, das Brennen auf den Lippen. Das Strömen auf meiner Zunge. Nach einem
    Tag wie heute braucht doch jeder ein bißchen Entspannung.
    Heute abend ist der Mond giftgelb und narbig. Er hängt so tief über Ruthanns Trailer, daß ich mir einen Augenblick lang vorstelle, die Ecke des Daches könnte ein Loch in ihn hineinstechen, so daß er durch die Gegend zischt wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht.
    »Eric?« Ein dünner Lichtstrahl halbiert meinen Körper, als Delia die Tür öffnet. »Bist du immer noch da draußen?«
    Rasch schiebe ich die Whiskeyflasche hinter meine Wade, wo Delia sie nicht sehen kann.
    Sie setzt sich auf die Stufe hinter mir. »Ich wollte dir nur sagen, daß es mir leid tut. Ich weiß ja, du kannst nichts dafür.«
    Wenn ich antworte, riecht sie den Alkohol in meinem Atem. Daher lasse ich nur den Kopf hängen und hoffe, sie glaubt, ich sei gerührt.
    »Komm rein«, sagt sie und nimmt meine Hand, und darüber bin ich so froh, daß ich für einen Augenblick vergesse, was ich hinter meinem Bein versteckt habe, heim Aufstehen stoße ich die Flasche um, und sie rollt die Stufen herunter.
    »Ist dir was hingefallen?« fragt Delia, doch dann gewöhnen ihre Augen sich an die Dunkelheit, und sie sieht das Etikett. »Ach, Eric«, murmelt sie, und in diesen zwei Worten liegt eine ganze Welt von Desillu-sion.
    Als ich mich endlich aus meiner Erstarrung lösen kann und Delia in den Trailer folge, hat sie bereits die schlafende Sophie auf dem Arm. Sie pfeift nach Greta und nimmt ihre Autoschlüssel vom Tisch.
    »Meine Güte, Delia, das war bloß ein kleiner Schlummertrunk. Ich bin nicht betrunken, sieh mich doch an. Hör mir zu. Ich kann jederzeit aufhören, wenn ich will.«
    Sie dreht sich um. »Ich auch, Eric«, sagt sie und geht zur Tür hinaus.
    Ich versuche nicht, sie aufzuhalten, als sie ins Auto steigt. Die Rücklichter tanzen die Straße hinunter, die schrägen Augen eines Dämons. Ich setze mich auf die untere Stufe des Trailers und hebe die

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