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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
Autoren: Jodi Picoult
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sie vor ihm in Sicherheit gebracht habe.«
    Wenn die Decke des Gerichtssaals in dem Augenblick eingestürzt wäre, mein Schreck hätte nicht größer Nein können. Dem kompletten juristischen Trio hat es die Sprache verschlagen - Emma, dem Richter, mir selbst. Ich drehe mich nach Delia um, suche sie unter den plötzlich hektischen Zuschauern und erkenne sie am weißen Oval ihres Gesichts. »Einspruch, Euer Ehren«, ruft Emma, die sich als erste wieder fängt. Tür diese Behauptung liegen uns keine Beweismittel vor.«
    Ich weiß, ich müßte jetzt eigentlich irgend etwas tun, aber ich kann die Augen nicht von Delia abwenden, die plötzlich auf ihrem Stuhl erschlafft, als sei sie einer Ohnmacht nahe. Neben mir nehme ich diffus wahr, daß Chris Hamilton zur Richterbank geht. »Natürlich liegen dafür keine Beweismittel vor, Euer Ehren. Wenn es welche gäbe, hätte unser Mandant sich schon damals an die Polizei gewandt und wir säßen alle nicht hier. Statt dessen mußte Mr. Hopkins reagieren -«
    Der Richter läßt seinen Hammer niederknallen und ruft alle Anwesenden zur Ordnung. Ich sehe, wie Fitz im Zuschauerraum Delia den Arm um die Schultern legt und mit ihr spricht. Ich wende mich wieder dem Richterpult zu. »Euer Ehren, ich beantrage eine Sitzungspause, um mit meinem Mandanten zu sprechen.«
    »Auf keinen Fall«, wendet Emma ein. »Er wird nicht mit ihm unter vier Augen reden. Wenn der Verteidiger durch die Äußerung des Angeklagten überrascht wurde, dann soll er die Sache hier und jetzt klären.«
    »Mr. Talcott«, sagt der Richter, »ich weiß nicht, was hier los ist. Und ich habe den Eindruck, Sie auch nicht. Ich fordere Sie dringend auf, mich vom Gegenteil zu überzeugen.«
    Ich verstoße wissentlich gegen die erste Grundregel bei der Befragung meines eigenen Zeugen: Ich stelle eine Frage, deren Antwort ich nicht kenne und auch gar nicht kennen will. »Andrew«, sage ich, »erzähl uns von dem Mißbrauch.«
    »Ich hatte den Verdacht, daß Elise eine Affäre hat. Und ich bin früher von der Arbeit nach Hause gekommen, um sie in flagranti zu ertappen ...«Er schließt die Augen. »Als ich ankam, habe ich durchs Fenster gespäht. Elise lag auf dem Bett und schlief, allein. Aber im Wohnzimmer ... sah ich Beth ... sie guckte Fernsehen. Er hatte sie auf dem Schoß ... und er streichelte ihr den Rücken. Doch dann glitten seine Hände unter ihren Rock ... und ...« Andrew beugt sich nach unten, seine Schultern heben und senken sich. »Er hatte seine Hände an ihr. Er hat meine Tochter angefaßt. Und jedes Mal, wenn Elise betrunken war oder schlief, würde er dort sein und es wieder tun. Ich habe ihn zusammengeschlagen. Aber das war keine Garantie, daß es nicht wieder passieren würde.«
    Im Zuschauerraum wird es laut. Ich bringe es nicht fertig, in die Richtung zu schauen, weil ich Delias Anblick nicht ertragen könnte. Andrew vergräbt das Gesicht in den Händen. Ich warte, bis er die Fassung zurückgewinnt. Als er den Kopf hebt, sind seine Augen rot und wund und nehmen die gesamte Geschworenenbank in die Pflicht. »Ja, ich habe meine Tochter entführt. Ja, ich habe das Gesetz gebrochen. Aber Sie können mir nicht sagen, daß das, was ich getan hab e, falsch war.«
    Mein Kopf ist ein Kaleidoskop von Fragen - nicht was den Fall angeht, sondern was die Frau betrifft, die nur wenige Meter von mir entfernt sitzt und der ihr ganzes Leben soeben erneut unter den Füßen weggerissen wurde. »Die Verteidigung schließt die Beweisaufnahme«, murmele ich.
    Noch ehe ich es zurück zu meinem Platz schaffe, steht Emma wieder auf. »Die Staatsanwaltschaft ruft Delia Hopkins erneut in den Zeugenstand.«
    Ich fahre herum. »Das können Sie nicht.«
    »Mit welcher Begründung?«
    Weil ich sie liebe!
    Niemand sagt etwas, als Fitz Delia zur Gerichtsschranke geleitet und für sie öffnet. Sie bewegt sich langsam, unsicher. Als sie sich im Zeugenstand ganz vorn auf die Stuhlkante setzt, sieht sie ihren Vater nicht an, und mich auch nicht. Sie ist ein Ort voller Gespenster. Ich kann förmlich sehen, wie sie aus ihren Augen spähen.
    »Ms. Hopkins«, sagt Emma, »haben Sie eine Erinnerung daran, daß Victor Vasquez Sie sexuell mißbraucht hat?«
    Delia schüttelt den Kopf.
    »Fürs Protokoll: die Zeugin hat die Frage gestisch verneint«, sagt Emma. »Keine weiteren Fragen.«
    Der Richter blickt mich an. »Mr. Talcott?«
    Ich will schon den Kopf schütteln, bin ich mir sicher, ich würde mich lieber auf der Stelle ausweiden lassen wie
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