Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
straffer. »Halik- sa'i, von dir muß ich mir gar nichts sagen lassen.«
»Auf diesem Grundstück ist kommerzieller Handel nicht erlaubt«, sagt der Polizist.
»Ich sehe hier keinen, der irgendwas verkauft.«
Er klappt seine Sonnenbrille hoch. »Was hast du unter dem Mantel?«
Sie wendet sich an mich. »Das ist sexuelle Belästigung, finden Sie nicht?«
Der Officer scheint mich erst jetzt zu bemerken. »Wer sind Sie? Eine Kundin?«
»Nein, ich ziehe hier ein.«
»Im Ernst?«
»Ich glaube ja«, erwidere ich. »Ich wollte eben meinen Schlüssel holen.«
Der Polizist reibt sich den Nasenrücken. »Ruthie, stell einen Tisch auf einem Indianderflohmarkt auf, ja? Ich will nicht noch mal herkommen müssen.« Er steigt wieder in sein Auto und braust davon.
Die alte Frau seufzt und trottet zu der Tür, an die ich vorhin geklopft habe. »Momentchen«, sagt sie, »ich hol Ihren Schlüssel.«
»Sie wohnen da?«
Sie antwortet nicht, schließt die Tür auf und geht hinein. Selbst aus dieser Entfernung riecht das Haus wie angebrannter Zucker. »Was ist nun?« ruft sie gleich darauf. »Kommt rein.«
Ich hole Sophie und Greta aus dem Wagen und befehle meinem Hund, draußen auf der Treppe zu warten. Als Sophie und ich hineingehen, zieht Ruthann ihren Trenchcoat aus und breitet ihn über die Rückenlehne eines Futonsofas aus. Die Köpfe der Barbies lugen hervor wie Maulwürfe aus der Erde. Wo ich auch hinschaue, fast überall steht eine Kiste mit Trödel oder eine Blechbüchse mit Perlen und Federn. Heißklebepistolen liegen wie weggeworfene Mordwaffen auf dem Boden. »Er muß hier irgendwo sein«, sagt sie, während sie in einer Schublade voller Stöckchen und Stifte herumwühlt.
Hinter mir zieht Sophie eine von den Puppen aus dem Mantel. »Mommy, sieh mal«, flüstert sie.
Die Barbiepuppe hat in einem Arm einen Minibecher Schokoladeneis und in dem anderen ein Schlaflos-in-Seattle-V ideo. Sie trägt eine Trainingshose, Pantoffeln und hat einen Revolver um die Hüfte geschnallt. Auf einem Schildchen um den Hals steht PMS-Barbie.
Ich muß laut lachen. Ich greife in den Trenchcoat und ziehe eine zweite Puppe heraus: Reality-TV-Bar-bie. Sie trägt einen Sport-BH und einen Hochzeitsschleier und hat in den Händen eine Karte vom Amazonas. In ihrer Gesäßtasche stecken ein Handvoll Dollarnoten und in einer Sportsocke ein Nike-Vertrag.
»Die sind wirklich witzig«, sage ich.
»Ich nenne sie Schwarzmarkt-Barbies. Puppen für Mädchen, die noch nicht aufhören wollen zu spielen.« Die alte Frau durchquert den Raum und streckt mir die Hand entgegen. »Ich bin Ruthann Masäwistiwa, Besitzerin und Geschäftsführerin von Second Wind, spezialisiert auf Hab-und-Gut-Reinkarnation.«
»Was ist das denn?«
»Die Suche nach einem Zuhause für Dinge, die andere Leute nicht mehr wollen. Ich bin ein einziges großes, tragbares, indianisches Pfandhaus.« Sie zuckt die Achseln. »Ihr alter Toaster könnte der Posteingangskasten in irgendeinem Büro werden. Ihr Cowboystiefel findet vielleicht ein völlig neues Leben als Gefäß für Geranien.«
»Und die Puppen?«
»Auch eine Form von Wiedergeburt«, sagt sie stolz. »Ich stelle sie selbst her, jedes noch so kleine Acces-soire. Sogar das Prozac-Fläschchcn für Midlife-Crisis-Barbie. Ich hätte gern Katsina-Puppen geschnitzt, aber das dürfen nur Hopi-Männer - Frauen sollen mit ihrem Schoß schnitzen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber ich laß mir nun mal nicht gern sagen, was ich nicht tun soll.«
Ich schüttele den Kopf, versuche, dem Gespräch zu folgen. »Katsina ...?«
»Das sind Geister, für die Hopi. Es gibt Unmengen verschiedene - männliche, weibliche, Pflanzen, Tiere, Insekten - was Sie wollen. Sie sind wichtig bei den Zeremonien, die für die Früchte auf dem Feld Regen und Schnee bringen, und Segnungen. Katsina-Puppen werden aus Pappelholz geschnitzt. Die Kinder bekommen sie bei den Tänzen geschenkt, damit sie etwas über die Religion lernen können, aber heutzutage sind sie auch heißbegehrte Sammelobjekte.« Ruthann nimmt eine von ihren Barbies. »Keine Ahnung, ob die genau so lange halten, aber ich geb mir Mühe.« Sie greift auf ein Regal, holt eine Kelly-Puppe herunter, Barbies kleine Schwester, und gibt sie Sophie. »Ich wette, die würde dir gefallen«, sagt sie.
Sophie setzt sich sofort auf den Boden und fängt an, Kelly die Plastiksachen auszuziehen. »Ich hab eine Kelly zu Hause.«
»Aha. Und wo ist das?«
»Nebenan«, schalte ich mich ein. Ich
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