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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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herunter, in einer Hand hält sie Gretas straff gezogene Leine. Sie folgt mir, hüpfend, vertraut darauf, daß ich weiß, wo es langgeht.
    Tun das nicht alle Kinder?
    Hab ich das nicht auch getan?
    Wir folgen der Wegbeschreibung, die die Frau im Autoverleih uns gegeben hat und kommen dabei an mehr Einkaufszentren vorbei, als es in ganz New Hampshire gibt. Für alles, was das Herz je begehren könnte, gibt es offenbar einen Laden - Sushi, Kickboards mit Motor, Bronzeskulpturen, Keramik zum Selbstbemalen. Ich komme mir hier draußen völlig verloren vor, und das ist sogar eine Erleichterung. In Arizona muß ich mich ja nicht auskennen. Anders als in Wexton habe ich hier das Recht, morgens aufzuwachen und mich nicht zu erinnern, wer und wo ich bin.
    Die Adresse, die Eric mir gegeben hat, ist in Mesa. Und kann nicht stimmen. Es ist ein Trailerpark, aber keiner mit ordentlichen Reihen kompakter, tadelloser Wohnwagen mit kleinen Gärten und Blumenkästen, sondern einer, der eher Ähnlichkeit mit einer riesigen Schrotthalde hat. Auf einem staubigen Parkplatz stehen fünfzig Wohnmobile, alle ohne Nummer, alle völlig heruntergekommen. Sophie tritt hinten gegen meinen Sitz. »Mommy«, fragt sie, »wohnen wir in einem Bus?«
    Wir fahren an einer alten Frau vorbei, die am Eingang des Trailerparks steht, trotz der Hitze eng eingehüllt in einen langen Regenmantel. Auf dem eingezäunten Platz regt sich keine Menschenseele. Ich überlege, wie heiß es in so einem Metalltrailer sein muß, wenn es draußen schon achtunddreißig Grad sind.
    Wir gehen in ein Hotel, beschließe ich, doch dann fällt mir ein, daß das viel zu teuer würde. Eric hat gesagt, es könnte nicht nur ein paar Wochen, sondern durchaus Monate dauern.
    Vor einigen Trailern sind neben den Stufen Kakteen gepflanzt, bei anderen stecken in den Steinen entlang des Fundaments Gartenornamente aus Bronze. Eine junge Frau tritt aus ihrer Tür, und ich kurbele meine Scheibe herunter. »Entschuldigen Sie!« rufe ich. »Ich suche ...« Ich werfe einen Blick auf die Nummer, die Eric mir per SMS geschickt hat.
    »No entiendo.« Sie verschwindet rasch wieder in ihrem Trailer und zieht alle Vorhänge zu, so daß wir nicht hineinspähen können.
    Ich würde ja zu Eric fahren, aber er hat mir nicht gesagt, wo er ist. Rasch habe ich die Wohnmobilsiedlung einmal umrundet und bin wieder auf der Einfahrt, die zur Hauptstraße führt. Die alte Frau steht noch immer dort, und sie lächelt mich an. Sie hat die furchige Ahornhaut einer Indianerin. Ihr weißes Haar steckt unter einem roten Kopftuch. Jeder einzelne Finger ist mit einem Silberring geschmückt, was mir auffällt, als sie die Innenseiten ihres Trenchcoats aufschlägt. Darunter trägt sie ein T-Shirt mit der Aufschrift DON'T WORRY, BE HOPI, und an Plastikschlaufen, die am Satinfutter des Mantels angenäht sind, hängen allerlei Dinge - angelaufenes Silberzeug, alte Schallplatten und einige Barbiepuppen. »Heute Trödelverkauf«, sagt sie. »Extrabillig!«
    Sophie wird auf Puppen aufmerksam. »Mommy -«
    »Heute nicht«, sage ich und lächle die Frau verkrampft an. »Tut mir leid.«
    Achselzuckend macht sie den Mantel wieder zu.
    Ich zögere. »Wissen Sie zufällig, welcher Trailer die Nummer 35677 ist?«
    »Der gleich da drüben.« Sie zeigt auf ein altersschwaches Gebilde, das keine zehn Meter von uns entfernt steht. »Da wohnt aber keiner. Die junge Frau ist vor einer Woche ausgezogen. Die Nachbarin hat den Schlüssel.«
    An der Türüberdachung des Nachbartrailers hängen mehrere Regenbogenwindspiele. Ein Hocker mit Mosaiksitzfläche und Menschenbeinen und -fußen aus Gips dient als Untersatz für einen krummem Kaktus mit verschlungenen Trieben. Davor steht ein Palo-Verde-Baum, an dessen grüne Zweige Hunderte brauner Federn mit Kordel und Leder gebunden sind.
    »Danke«, sage ich und bitte Sophie, im Wagen zu warten. Ich lasse die Klimaanlage laufen und gehe zur Tür. Ich klingele, zweimal, aber es öffnet niemand.
    »Da ist keiner zu Hause«, sagt die alte Frau. Doch bevor ich etwas erwidern kann, höre ich eine sich nähernde Polizeisirene. Sogleich bin ich wieder in Wexton, zehn Sekunden bevor mein ganzes Leben auseinanderbrach. Ich renne zum Wagen, zu Sophie.
    Das Polizeiauto hält hinter meinem Mietwagen, doch als der Officer aussteigt, kommt er nicht zu mir, sondern wendet sich an die alte Frau. »Menschenskind, Ruthann«, sagt er, »wie oft muß ich dich noch verwarnen?«
    Sie zieht den Gürtel ihres Mantels

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