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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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daß er mich all die Jahre belogen hat. Da bin ich gegangen.« Delia blickt auf, den Tränen nahe. »Ich bin einfach aufgestanden und gegangen.«
    Ich hole tief Luft und lege ihr meine Hand auf die Schulter. »Ich bin sicher, er weiß, wie schwer die ganze Situation für dich ist.«
    »Und wenn er glaubt, ich hasse ihn und wäre deshalb nicht im Gericht gewesen?«
    »Haßt du ihn denn?«
    Delia schüttelt den Kopf. »Das ist wie eine mathematische Aufgabe, die nicht aufgeht, weißt du? Ich meine, auf der einen Seite ist da meine Mutter ... irgendwo da draußen, was erstaunlich ist ... und die Zeit ohne sie ist unwiederbringlich verloren. Doch auf der anderen Seite hatte ich eine wunderbare Kindheit. Mein Vater hat buchstäblich sein Leben für mich aufgegeben, und das muß ganz schön schwer ins Gewicht fallen.« Sie seufzt. »Man kann einen Menschen lieben und trotzdem die Entscheidungen hassen, die er getroffen hat, oder?«
    Ich blicke sie einen Moment länger an, als ich sollte. »Schätze ja«, sage ich.
    »Ich weiß noch immer nicht, warum er es getan hat«, murmelt Delia.
    »Dann solltest du vielleicht jemand anderen fragen.«
    Sie sieht mich an. »Genau deshalb wollte ich dich um etwas bitten«, sagt sie. »Ich komm da einfach nicht weiter. Als ich gestern bei meinem Vater war, bin ich nicht mehr dazu gekommen, ihn nach dem Mädchennamen meiner Mutter zu fragen. Und ich hab beim Standesamt angerufen und denen die Sache erklärt, aber sie meinten, ohne den Namen könnten sie mir nicht -«
    »Das hier geben?« Ich greife in meine Gesäßtasche und ziehe einen Zettel heraus.
    Ich beobachte Dee, wie sie die unbekannte Adresse und Telefonnummer liest. »Auf der Journalistenschule lernt man als erstes, wie man Beamte um den kleinen Finger wickelt«, erkläre ich.
    »Elise Vasquez?« liest sie vor.
    »Sie hat wieder geheiratet.« Ich halte ihr mein Handy hin. »Na los.«
    Die Hoffnung läßt sie einen Augenblick erstarren, und dann nimmt Delia das Telefon. Sie wählt die Vorwahl von Scottsdale, bricht dann den Anruf ab. »Was ist?« frage ich.
    »Fühl mal«, sagt sie, und sie nimmt meine Hand und legt sie direkt über ihr Herz.
    Es rast, flattert so schnell wie die Flügel eines Kolibris, so schnell wie Unentschlossenheit, so schnell wie mein eigenes. »Du bist nervös«, sage ich zu ihr. »In dieser Situation ist das ganz normal.«
    »Ich bin nicht nur nervös. Ich ... was, wenn es nicht halb so toll wird, wie ich es mir ausgemalt habe?« Delia kaut auf ihrer Unterlippe.
    »Dee, du hast dein Leben lang auf diesen Augenblick gewartet. Wenn dieser Alptraum was Positives hat, dann das.«
    »Aber warum hat sie nicht auch den Wunsch gehabt?« fragt Delia. »Wieso hat sie nicht alles unternommen, um mich zu finden?«
    »Anscheinend hat sie doch die ganzen achtundzwanzig Jahre nach dir gesucht. Sie hat erst vor zwei Tagen erfahren, wie du jetzt heißt.«
    »Eric meint, es könnte gut sein, daß nicht sie die Polizei gedrängt hat, am Ball zu bleiben«, wendet Dee ein. »Die Behörden könnten das auch von sich aus getan haben. Vielleicht führt sie ein neues Leben, mit neuen Kindern. Vielleicht ist ihr völlig egal, ob ich gefunden worden bin oder nicht.«
    »Und vielleicht siehst du, wenn du ihr gegenüber stehst, daß sie unter falschem Namen lebt und in Wahrheit eine steckbrieflich gesuchte Betrügerin ist.«
    Sie lächelt schief. »Zwei Betrüger als Eltern. Wer hat das schon?« Sie beugt sich vor und vergräbt die Hand in dem dichten Fell an Gretas Hals. »Ich will, daß es perfekt wird, Fitz. Ich will, daß sie perfekt ist. Aber was, wenn sie das nicht ist? Was, wenn ich es nicht bin?«
    Ich blicke in ihre klaren, bernsteinfarbenen Augen, auf die sanfte Rundung ihrer Schulter. »Aber das bist du doch«, sage ich leise.
    Sie wirft die Arme um mich. Ich reihe dieses Gefühl in die anderen hundert Erinnerungen an die Augenblicke ein, in denen sie mich berührt hat. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde«, sagt Delia.
    Ich antworte ihr im stillen. Ohne mich würde Delia nicht erleben, wie ihr familiäres Trauma von der New Hampshire Gazette ausgeschlachtet wird. Ohne mich könnte sie weiterhin daran glauben, dass es Menschen gibt, die anderen einfach deswegen folgen, weil sie sie moralisch unterstützen möchten. Ohne mich würde ihr nicht noch mehr Kummer bevorstehen.
    Als sie sich von mir löst, strahlt ihr Gesicht. »Was meinst du, soll ich anziehen?« fragt sie. »Ich weiß nicht, ob ich erst anrufen

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