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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wahr?«
    »Ist was wahr?«
    »Daß du Alkoholikerin bist?«
    Das Lächeln im Gesicht meiner Mutter erlischt, sie wird blaß. Sie wirft einen ängstlichen Blick auf die Straße, dann winkt sie mich herein. Ein Teil von mir will unbedingt hören, daß auch das nur ein weiteres Lügenmärchen meines Vaters ist, ein weiterer Schritt in seinem Plan, mich gegen meine Mutter aufzubringen.
    Doch sie streicht sich das Haar aus dem Gesicht, schiebt es hinter die Ohren. »Ja«, sagt sie tapfer. »Es ist wahr.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Und
    ich habe seit sechsundzwanzig Jahren keinen Schluck angerührt.«
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Du hast nicht gefragt«, sagt meine Mutter leise.
    Es ist eine Lüge, wenn du Nähe erzwingst, weil du sie dir so verzweifelt wünschst. Keiner kann wieder da anfangen, wo er aufgehört hat. So funktioniert das einfach nicht.
    Meine Mutter streckt die Hand nach mir aus, und als ich zurückweiche, steigen ihr die Tränen in die Augen. »Du bist hergekommen, und du warst so glücklich, mich zu sehen«, sagt sie. »Ich dachte, wenn ich es dir sage, verliere ich dich gleich wieder.«
    »Du hast mich in dem Glauben gelassen, daß du ein Opfer warst«, werfe ich ihr vor.
    »Das war ich auch«, sagt meine Mutter. »Mag sein, daß ich keine perfekte Mutter war, aber ich war deine Mutter, Beth. Und ich habe dich geliebt.«
    Präteritum.
    »Das ist nicht mein Name«, sage ich gepresst und gehe.
    Greta und ich wurden einmal während eines Schneesturms zu einem Einsatz nach Meredith, in der Lakes Region, gerufen. Ein junges Mädchen hatte einen Abschiedsbrief geschrieben und war verschwunden, und der alleinerziehende Vater war vor Panik wie gelähmt. Die Polizei hatte bereits mit der Suche begonnen und eine Spur von Fußabdrücken entdeckt, von der jedoch wegen des heftigen Schneefalls schon bald nichts mehr zu sehen war.
    Als ich ankam, wurde ich zum Vater des Mädchens gebracht. Er saß in einem Sessel und wippte vor und zurück, die Faust an den Mund gepreßt, als könnte die Trauer jeden Moment aus ihm herausbrechen. »Mr. Damato«, fragte ich, »hat Maria irgendeinen Platz, wo sie gern hingeht, wenn sie allein sein möchte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht daß ich wüßte.«
    »Würden Sie mir ihr Zimmer zeigen?«
    Er führte mich nach oben. Es war ein typisches Teenagerzimmer - Bett, Holzkisten als Bücherregal, Laptop, Lavalampe. Doch anders als die meisten Teenagerzimmer war es makellos aufgeräumt. Das Bett war gemacht, auf dem Schreibtisch lag nichts herum. Die Kleidungsstücke hingen alle ordentlich auf Bügeln im Schrank. Der Papierkorb war geleert.
    Da Maria Damato sogar ihre gesamte Wäsche gewaschen hatte, ließ ich Greta an ein Paar Schuhen schnuppern, die ich im Schrank fand. Draußen herrschte ein pfeifendes Schneegestöber, als Greta in westlicher Richtung lief, zur Straße hin, und dann in den Wald abschwenkte. Immer wieder mußte sie über Schneewehen springen. In manche fiel ich hinein und landete auf Händen und Füßen. Wenn ich dann den Mund öffnete, schmeckte ich Eis.
    Zwei Stunden später brach Greta aus den Bäumen hervor und tappte vorsichtig über den zugefrorenen See. Wegen des Schnees sah die Fläche nicht aus wie Wasser, sondern wie ein unendlich weites Feld. Große Schneeflocken verklebten mir Augen und Lippen, und Greta hatte Augenbrauen wie Groucho Marx bekommen, nur weiß. Durch die Pulverschneeschicht wurde das Eis noch rutschiger, und wir beide glitten etliche Male aus. Doch schließlich blieb Greta stehen und legte die Vorderpfoten auf eine Erhebung, die nicht einsank. Sie drehte sich einmal in einem kleinen Kreis, dann noch einmal.
    Ich sah zuerst die Haare des Mädchens, steif gefroren zu Stacheln. Ich rollte sie auf den Rücken und fing sofort an, sie zu beatmen. Doch sie fuhr hoch wie eine fauchende Katze. »Laß mich los, laß mich los!« kreischte sie, und dann öffnete sie die Augen und begann zu schluchzen.
    Als die Sanitäter eintrafen, meinten sie, der Schnee habe als Isolierschicht gewirkt, sonst hätte Maria nicht so lange überleben können. Ihr Vater, der bereits über die gute Nachricht informiert worden war, wartete an der Haustür, als wir eintrafen. Maria, die sich auf meinen Arm stützte, machte einen zögerlichen Schritt auf ihren Vater zu. Plötzlich stellte Greta sich zwischen die beiden und knurrte tief in der Kehle.
    »Greta«, sagte ich und rief den Hund zurück. Doch in diesem kurzen Augenblick spürte

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