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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sich vom Beckenrand abzustoßen. »Warum bist du hier?« fragt er.
    »Selbsterhaltung.«
    »Ich versuche auch, dich zu retten.«
    »Bist du dir da sicher?« sage ich.
    Er blickt weg. »Es geht hier schließlich nicht um mich.«
    Als er sagt, wir sollen von vorn anfangen, muß ich erst nachdenken. Es wäre leicht, nein zu sagen, mich mit einem Pflichtverteidiger zu begnügen und mich verurteilen zu lassen. Ich habe schon einmal mein Leben aufgegeben. Ich könnte es ein zweites Mal aufgeben.
    Aber ein anderer Teil in mir möchte Eric gewinnen sehen. Er ist der Vater meiner Enkelin, und du liebst ihn. Ich weiß noch, wie du an meiner Schulter geschluchzt hast, nachdem du ihn in die Reha-Klinik gefahren hattest. Wenn Eric diesen Justizkampf verliert, wird er dann wieder zur Flasche greifen und dich erneut unglücklich machen? Wenn er gewinnt, werde ich dann glauben können, was mir bei Elise nicht möglich war, wenn ich ihr ins Gesicht schaute, daß jemand, der eine zweite Chance bekommt, auch tatsächlich etwas daraus macht?
    Ich wische mir die Handflächen an der Hose ab. »Ich weiß nicht, was du hören willst und was nicht.«
    Eric holt tief Luft. »Erzähl mir, wie du Elise kennengelernt hast.«
    Ich schließe die Augen, und ich bin wieder der etwas zu ernste, strebsame Student. Ich habe immerzu gute Noten bekommen, habe immerzu getan, was meine Eltern von mir wollten ... bis jetzt. Sie empfinden es als große Schande, daß ich nicht Arzt werden will, sondern mich für ein Pharmaziestudium entschieden habe, und das, obwohl sie wissen, daß ich einfach kein Blut sehen kann.
    Ich stehe am Straßenrand und trete gegen den Reifen meines Autos, unter dessen Motorhaube Rauch hervorquillt. Wegen dieser Panne verpasse ich die Klausur in Pharmakokinetik.
    Sechs Meilen später - ich bin verdreckt und verschwitzt und habe mir längst in den schlimmsten Farben ausgemalt, was mein verhunzter Notendurchschnitt für meine berufliche Karriere bedeuten wird -nähere ich mich einer Bar am Straßenrand, vor der an die zwanzig riesige Harleys parken. Als ich hineingehe, höre ich das Kreischen. Zwei stämmige Männer halten eine attraktive, schwarzhaarige junge Frau an der Wand fest. Ein dritter hat einen Fächer Dartpfeile in der Hand. Die Frau schließt die Augen und schreit, als der erste Dartpfeil auf ihre Schulter zusaust. Ein zweiter Pfeil bohrt sich dicht neben ihrem Ohr in die Wand. Der Biker hat die Hand schon zum dritten Wurf gehoben, als ich mich auf ihn stürze.
    Mein Angriff zeigt kaum Wirkung, Der Mann schlägt mich weg und wirft den dritten Pfeil, der zwischen den Knien der Frau landet und ihr den Rock an die Wand nagelt.
    Die Frau öffnet die Augen, grinst und blickt nach unten zwischen ihre Beine. »Kein Wunder, daß du keine Frau kriegst, wenn du näher nicht rankommst.«
    Die anderen Biker brechen in Gelächter aus, und einer von ihnen befreit sie von den Pfeilen. Sie kommt auf mich zu und streckt mir die Hand hin, um mir auf die Beine zu helfen. »Tut mir leid. Ich dachte, die wollten dir was tun«, sage ich.
    »Die?« Sie blickt über die Schulter zu den Bikern, die sich wieder ihrem Bier widmen. »Die sind lammfromm. Na komm. Helden trinken auf Kosten des Hauses.« Sie verschwindet hinter der Theke und zapft mir ein Bier. Mir wird klar, daß sie hier arbeitet.
    Sie fragt, was mich hierher verschlagen hat, und ich erzähle ihr von meinem Auto. Ich sage, daß ich meine
    Abschlußklausur verpasse, und sie will wissen, was ich denn abschließen wolle.
    Ich erzähle Eric nicht, wie mir auffiel, daß ein Sonnenstrahl auf Elises Haut spielte wie ein Geigenbogen. Daß sie mit einem Biker über Baseball sprechen konnte, während sie gleichzeitig einem anderen Geld wechselte und mich anlächelte. Ich erzähle ihm nicht, daß sie sich darüber lustig machte, wie ich mich an meinem Glas Bier festhielt, um dann selbst einen Schluck daraus zu trinken. Ich erzähle ihm nicht, daß sie die Bar früher als sonst schloß; daß ich für sie Molekülmuster zuerst auf Cocktailservietten malte, dann zwischen die Sterne und schließlich auf ihren nackten Rücken.
    Ich erzähle Eric nicht, daß ich vor meiner Begegnung mit Elise noch nie bis zum frühen Morgen wach geblieben war, nur um zu sehen, wie der Himmel ein Loch durch die Nacht brennt, daß ich mit ihr zusammen zum ersten Mal Go-Kart gefahren bin. Ich erzähle ihm nicht, daß sie mit mir über Friedhöfe gegangen ist, um Blumen auf das Grab von Menschen zu legen, die sie gar

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