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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ist. Nachdem ich für etwas die Schuld auf mich genommen habe, was einer von den Schwarzen gemacht hat, bin ich anscheinend enorm in ihrer Achtung gestiegen.
    Als ich zurück in unseren Trakt gebracht werde, liegt Concise auf der Pritsche und liest. »Na, wen haben wir denn da?« sagt er nur und wartet, bis der Aufseher gegangen ist. »Haben sie dich gut behandelt?«
    Ich fange an, mein Bett zu beziehen. »Und wie. Ich hatte die Zelle mit dem Whirlpool und dem Weinkeller.«
    »Verdammt, die kriegen immer nur die weißen Typen«, witzelt er. »Andrew«, sagt er, das erste Mal, daß er meinen Namen benutzt. »Was du da gemacht hast...«
    Ich falte mein Handtuch zusammen. »Nicht der Rede wert.«
    Er steht auf, streckt langsam die Hand aus und ergreift meine. »Du hast für mich den Arsch hingehalten. Und ob das der Rede wert ist.«
    Verlegen wende ich mich ab. »Na, das ist Schnee von gestern.«
    »Eben nicht«, sagt Concise. »Sticks will dir 'ne Lektion erteilen, auf dem Hof. Das plant er seit Tagen.«
    Ich versuche, mir die Panik nicht anmerken zu lassen, die mich erfaßt. Wenn Sticks mich an meinem ersten Abend hier aus einer Laune heraus schon fast totgeschlagen hat, was blüht mir dann erst, wenn er planvoll vorgeht?
    »Kann ich dich was fragen?« sagt Concise. »Warum hast du das gemacht?«
    Weil es manchmal gar nicht um dich geht, wenn du auf dich selbst aufpaßt. Aber ich schüttele nur den Kopf, weil ich nicht weiß, wie ich das in Worte fassen soll.
    Concise bückt sich und holt unter der unteren Pritsche einen Karton hervor. Er enthält ein ganzes Arsenal von selbstgebastelten Waffen. »Ja«, sagt er. »Schon verstanden.«
    Am Morgen des Kampfes rasiert Concise mir den Kopf. Alle Häftlinge, die irgendwie beteiligt sind, machen das, weil die Aufseher dann hinterher nicht mit Sicherheit sagen können, wer alles dabei war. Der Wegwerfrasierer läßt einzelne Haarbüschel stehen, so daß ich aussehe, als hätte mich eine Katze attackiert. Concise' dunkler Schädel ist dagegen schön glatt. »Tja«, sage ich, »vielleicht liege ich ja falsch, aber es würde mich nicht wundern, wenn die Wächter mich doch von den übrigen Crips unterscheiden könnten.«
    Im Hof werden dreißig Männer auf einmal sein: zehn Mexikaner, neun Schwarze, zehn Weiße und ich. In der vergangenen Woche hat Concise dank eines regen Schmuggelverkehrs ein passables Waffenlager anlegen können. Wir haben bis spät in die Nacht daran gearbeitet: Knüppel aus aufgerollten National Geogra-phics, die wir mit Klebeband umwickelt haben, das in der Küche normalerweise benutzt wird, um die Tabletts mit Diätessen zu markieren; Totschläger - ein mit zwei Seifenstücken oder mit einem Vorhängeschloß von einer Fußfessel gefüllter Socken. Wir haben die Klingen aus den Wegwerfrasierern herausgebrochen, die wir jeden Morgen erhalten, und sie in den weichen Kunststoff von geschmolzenen Zahnbürsten gedrückt. Wir haben aus allen möglichen Metallteilen Messer gefertigt, aus den Chromrahmen der Spiegel in unseren Zellen, aus Stücken von einem Maschendrahtzaun, aus den Querstreben von Knieschienen, sogar aus einer Klobürste, alles auf dem Zementboden tödlich scharf gefeilt. Die Griffe haben wir mit Stoffstreifen von Laken und Handtüchern gepolstert und mit der Kordel von Wäschebeuteln fest umwickelt: So läßt sich die Waffe besser packen, was zudem die Gefahr verringert, daß die Hand auf die scharfe Klinge rutscht.
    Meine eigene Waffe hat Concise extra für mich hergestellt. Er hat das Metallende von einem Bleistift abgezogen, in die Seite mit dem Radiergummi eine angespitzte Heftklammer gedrückt und die andere Seite dann mit Watte von einem Zigarettenfilter umwickelt. Wenn man eine Kugelschreiberhülse als Blasrohr benutzt, kann man diesen selbstgebastelten Pfeil aus nächster Nähe in das Auge eines Feindes schießen.
    Als wir uns aufstellen, um auf den Hof zu gehen, bin ich erstaunt, daß die Aufseher nicht merken, was im Busch ist. Jeder hat irgendwo in seiner Anstaltskluft eine Waffe versteckt. Sobald wir draußen sind, versammeln wir uns in größeren Gruppen als sonst - niemand will von seinen Verbündeten getrennt sein. Niemand rührt den Basketball an.
    »Ganz ruhig bleiben«, flüstert Concise mir zu. Mein Herz ist aufgebläht wie ein Schwamm, und hinter den Ohren, da, wo ich vorher noch Haare hatte, bricht mir der Schweiß aus.
    Ich sehe ihn nicht auf mich zukommen, den Totschläger, der wie ein Kolibri surrt und mir gegen die linke

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