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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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alles«, sage ich. »Ich hasse die Hitze und daß es Schlangen gibt und nichts grün ist. Ich hasse den Geruch von diesem blöden Gefängnis. Ich will nach Hause.«
    Fitz blickt mich an. »Dann fahr«, sagt er.
    Seine lockere Antwort verblüfft mich. »Wieso rätst du mir das?«
    »Wieso sollte ich nicht?« sagt Fitz. »Dein Vater wird hier sobald nicht wegkönnen, und er wäre der erste, der dir sagen würde, du solltest dein Leben weiterführen. Für Sophie wäre es in New Hampshire auf jeden Fall besser, in ihrer gewohnten Umgebung. Und du mußt ja auch nicht hierbleiben, um deine Mutter kennenzulernen -«
    »Was soll denn das heißen?«
    »Richtig oder falsch: Es ist dir egal, ob du sie wiedersiehst oder nicht.«
    Richtig, will ich sagen. Aber ich kann nicht.
    »Ich dachte, ich komme her und alles ergibt einen Sinn«, sage ich, während ich mir mit dem Saum meines T-Shirts die Augen wische. »Ich wünschte bloß, ich könnte mich an alles erinnern.«
    »Wieso?«
    Die Frage hat mir noch keiner gestellt.
    »Na, weil ich nicht weiß, wer ich einmal war«, sage ich.
    »Ich weiß es. Eric weiß es. Mensch, Delia, du hast eine ganze Menge Zeugen, die dir dabei helfen können. Wenn du dir wirklich über was Gedanken machen willst, dann versuch dahinterzukommen, wer du von nun an sein wirst. Willst du wissen, was ich glaube?«
    »Würdest du es für dich behalten, wenn ich nein sage?«
    »Ich glaube, du bist wütend auf deine Mutter, weil sie dich überhaupt verloren hat.«
    Widerwillig nicke ich.
    »Und du bist wütend auf deinen Vater, weil er dich einfach so mitgenommen hat.«
    »Na ja ...«
    »Aber vor allem, glaube ich, bist du wütend auf dich selbst, weil du nicht schlau genug warst, das alles selbst rauszufinden«, sagt Fitz. »Du hast in New Hampshire gelebt statt in Arizona, na und? Wichtig ist, wo du in fünf Jahren leben wirst. Du hattest einen Zitronenbaum im Garten, na und? Mich würde interessieren, ob du jetzt einen in deinem Garten pflanzen willst. Du hast eine verrückte Angst vor Spinnen, na und? Für so was gibt's Hypnose.« Er streckt die Hand aus und zieht an einem meiner Zöpfe. »Wenn du nicht willst, daß wieder jemand anderes dein Leben verändert, Dee, dann mußt du es selbst verändern.«
    In diesem Augenblick wird plötzlich alles glasklar. Als ob jemand ein trübes Fenster endlich sauberwischt. Manche Leute haben eine präzise Vergangenheit, andere nicht. Es gibt so viele adoptierte Kinder, die aufwachsen, ohne je etwas über ihre leiblichen Eltern zu wissen. Es gibt Verbrecher, die aus dem Gefängnis kommen und etwas tun, wodurch sie zu Säulen der Gesellschaft werden. Ein Mensch kann zu jeder Zeit neu anfangen. Und das ist kein halbes Leben, sondern einfach ein reales.
    Es ist auch eine beängstigende Vorstellung: daß die Beziehungen, die die Eckpfeiler unserer Persönlichkeit bilden, nicht vorgegeben sind, sondern daß wir sie uns aussuchen; daß es durchaus sein kann, sich einer Freundin oder einem Freund näher zu fühlen als den Eltern; daß jemand, der uns in der Vergangenheit enttäuscht hat, dieselbe Person sein könnte, mit der wir eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Ich lehne mich benommen gegen die Wand des Wagens. »Wenn du das sagst, klingt es so einfach.«
    »Und du machst es komplizierter, als es sein muß«, entgegnet Fitz. »Die entscheidende Frage ist: Liebst du deinen Vater?«
    »Ja«, sage ich rasch.
    »Liebst du deine Mutter?«
    »Das hat er nicht zugelassen.«
    Fitz schüttelt den Kopf. »Delia«, sagt er. »Er konnte dich nicht dran hindern.«
    Ich sehe zu, wie Greta einschläft und ruhiger atmet. »Vielleicht bleib ich doch noch ein Weilchen«, sage ich.

FITZ
    Nach nur einer Woche in Arizona hab ich mich in einen Profilügner verwandelt. Wenn meine Chefredakteurin anruft, um sich nach dem Fall Hopkins zu erkundigen, lasse ich die Mailbox anspringen. Als sie das begriffen hat, ruft sie mich mitten in der Nacht in meinem Hotelzimmer an und gibt mir genau sechs Stunden, um einen Artikel zu schreiben, sonst würde sie mich von dem Auftrag abziehen. Ich verspreche ihr, das Gewünschte pünktlich abzuliefern. Dann schreibe ich ihr eine E-Mail, daß in der Hopkins-Sache Anträge eingereicht worden seien und ich deshalb den ganzen Tag ins Gericht müsse und etwas mehr Zeit bräuchte. Eine zweite Woche vergeht, und ich habe noch immer keine einzige Zeile zu Papier gebracht. Marge ordert mich zurück nach New Hampshire, um mir mein Gehalt zu verdienen. Ich soll einen Artikel

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