Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
ordentlichen Sonnenbrand einhandeln wird. »Wenn Greta Mist baut, fahrt einfach Richtung Süden. Ich warte dann bei den Jungs von der Grenzpatrouille, bei einem Gläschen Tequila.«
»Greta baut schon keinen Mist. He, Fitz?« rufe ich und warte, bis er sich umdreht, die Augen mit der Hand abschirmt. »Das mit den Schlangen war kein Witz.«
Als ich davonfahre, sehe ich im Rückspiegel, wie Fitz nervös auf seine Füße starrt. Ich muß laut lachen. Erinnerungen werden nicht im Herzen oder im Kopf und auch nicht in der Seele bewahrt, wenn man mich fragt, sondern in den Zwischenräumen zwischen zwei Menschen.
Die Hopi sagen, manchmal passen wir nicht mehr in die Welt, die uns gegeben wurde. Taiowa, der Sonnengeist, und Spinnengroßmutter haben die Menschen bereits viermal in eine neue Welt geführt. Und jeden Tag, so sagen sie, müssen wir damit rechnen, uns ein weiteres Mal in einer neuen Welt wiederzufinden.
Die Spurensuche mit einem Bluthund raubt dem Geruch jede Romantik. Der Duft, der in dir den Wunsch weckt, das Gesicht an den Hals des Geliebten zu schmiegen, der Hauch von Parfüm, bei dem Männer sich umdrehen, wenn eine schöne Frau vorübergeht -das sind alles lediglich umherwehende abgestorbene Hautzellen. Für Greta und mich ist Geruch eine ernste Angelegenheit.
Nachdem ich sie angeleint habe, gehe ich mit Greta zu der Baseballmütze, die Fitz dagelassen hat. Ich hebe sie auf, und Greta atmet so tief ein, daß sie den Stoff geradezu in die Nasenlöcher saugt. »Such«, weise ich sie an, und sie springt über den Zaun und läuft los, die Nase auf dem Boden.
Die Welt hier ist bevölkert von Vögeln, die ich noch nie gesehen habe - Goldspecht, Wüstenbussard, Graubrusthäher. Wir sehen Agaven, Cholla, Hibiskus, Indian Paintbrush, Tackstem. Wir kommen an einer Flora vorbei, die ich nur aus Büchern kenne - Brittiebush und Malven, Schierlingsschnabel, Jojoba. Wir sehen Kakteen, die mutiert sind, mit Armen, die nach innen statt nach außen wachsen, die Köpfe mit Windungen wie das Gehirn eines Menschen.
Greta trottet langsam über das flache Land. Ich achte auf die fleischigen Arme der Saguaros und die Modigliani-Hälse der Ocotillos, an denen Fitz immer mal wieder ein Stück Klopapier aufgehängt hat, um mir zu sagen, daß Greta auf der richtigen Fährte ist.
Sie bleibt an einem ausgetrockneten Saguaro stehen und setzt sich. Plötzlich pflanzt sie alle vier Pfoten fest auf den Boden und bleckt die Zähne. Die Haare auf ihrem Rücken richten sich auf. Sie knurrt.
Das Javelina ist etwas über einen Meter lang und hat ein borstiges graues Fell. Seine gelblichen Hauer sind an den Spitzen nach außen gebogen, und auf dem Rücken hat es eine richtige Mähne. Es blickt von seiner Mahlzeit auf, einem Feigenkaktus, und grunzt.
Ich habe keinen Schimmer, welches Verhalten sich bei einem Javelina empfiehlt. Das Schwein macht einen angriffslustigen Schritt auf Greta zu, die zur Seite wegspringt. Ich ziehe an ihrer Leine, um sie davor zu bewahren, sich an den Stacheln eines anderen Kaktus zu verletzen. Aber da jault Greta schon auf und läßt sich fallen, schlägt immer wieder mit der Pfote nach ihrer Nase. Ihre Schnauze ist mit Stacheln gespickt, einige stecken auch in ihren dunklen, weichen Lefzen.
Gretas klägliches Geheul scheucht eine Schar Kaktuszaunkönige auf. Das Javelina erschrickt und donnert davon. Ohne eine Sekunde zu überlegen, knie ich mich hin und schwinge mir Greta über die Schultern. Ich spüre ihre fast fünfunddreißig Kilo kaum, als ich loslaufe. »Fitz«, brülle ich so laut ich kann und suche ihn anhand der Markierungen, die er für uns hinterlassen hat.
Wir sind hinten im Laderaum des Explorer über Greta gebeugt. Ich liege auf ihr, damit sie sich nicht bewegt, und streichele ihr den Kopf und die Ohren. Fitz ist mit dem Gesicht dicht vor ihrer Schnauze und zieht mit einer Pinzette aus dem Erste-Hilfe-Kasten die Stacheln heraus. »Ich glaube, das war ein sogenannter Teddybärkaktus«, sagt er. »Tückische Biester ... die springen einen regelrecht an.« Als er vorsichtig Gretas Mund öffnet, schnappt sie nach ihm. »Ist gleich geschafft, meine Kleine«, sagt Fitz beruhigend und zieht ihr die letzten Stacheln aus dem Zahnfleisch. Dann überprüft er noch einmal, ob er auch keine übersehen hat. »Das war's. Vielleicht fragst du sicherheitshalber noch einen Tierarzt, aber ich glaube, sie ist bald wieder auf dem Damm.«
Ich blicke Greta an, dann Fitz und breche in Tränen aus. »Ich hasse das
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