Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
über eine neue Methode gegen Frosthub schreiben, ein deutliches Signal, ich bin bereits degradiert. Ich verspreche, die erste Maschine zu nehmen. Aber ich verlasse Phoenix nicht.
Statt dessen setze ich mich hin und fabriziere etwas über Asphalt und Schneeschmelze und Grundwasserspiegel. Da der Artikel ohnehin irgendwo in der Mitte der Zeitung untergehen wird, finde ich es nicht schlimm, daß ich mir manches - na schön, alles - aus den Fingern gesogen habe.
Ehe ich es mich versehe, breitet sich das Lügengespinst auf alle anderen Bereiche meines Lebens aus. Ich rufe meinen Vermieter an und sage, ich hätte einen Todesfall in der Familie und könnte die Miete daher nicht pünktlich zahlen. Ich rufe in der Redaktion an und erkläre, daß ich nicht zur Montagskonferenz kommen kann, weil ich mir ein Atemwegsvirus eingefangen hätte, hochansteckend übrigens. Ich lasse mir von Sophie eine Krone aus Indian Paintbrush flechten, und als sie fragt, wann wir wieder nach Hause fahren, antworte ich, bald.
Delia braucht meine Unterstützung, und ich rede mir ein, daß ich das für jeden guten alten Freund tun würde.
Das ist das Verrückte mit der Lügerei. Irgendwann fällt man selbst drauf rein.
Jeder Journalist lechzt nach einer Exklusivstory aus der »Todeszelle«. Du willst die Stimme der Wahrheit sein, die erhört wird. Du willst das Megaphon sein, das die Worte des reuigen Sünders hinausposaunt. Du willst, daß der Leser dem Häftling zuhört und denkt: Vielleicht sind wir ja gar nicht so anders. Aber nicht jeder Journalist weiß, daß er mit seiner Story der Frau, die er liebt, das Herz bricht.
Als Andrew hereinkommt - dünner als ich ihn in Erinnerung habe und mit einem verdammt schlecht rasierten Schädel bleibt alles für mich stehen. Es ist ein wenig peinlich, ihn in der Gefängniskluft zu sehen, als würde man den eigenen Großvater in der Unterhose ertappen. Er wirkt absolut verändert auf mich, ganz anders als der Mann, den ich gekannt habe, als wäre er ein entfernter Verwandter von sich selbst. Ich frage mich, wer zuerst da war: dieser Andrew oder der andere?
Ehrlich gesagt, ich bin überrascht, daß er sich bereit erklärt hat, mit mir zu sprechen. Ich bin zwar praktisch in seinem Wohnzimmer aufgewachsen und manchmal hab ich mich ihm näher als meinen eigenen Eltern gefühlt, aber Andrew weiß auch, daß ich für die Gazette schreibe.
Er nimmt den Telefonhörer auf seiner Seite, ich den auf meiner. Als er mich durch die Glasscheibe anstarrt, will ich ihn fragen, warum er es getan hat, doch statt dessen sage ich: »Ich hoffe, du hast nicht zu viel bezahlt für deine neue Frisur.«
Als er lachen muß, sehe ich für den Bruchteil einer Sekunde den Mann, den ich kannte.
»Andrew«, sage ich zu ihm, »hast du wirklich gedacht, man würde dich nie erwischen?«
Er reibt sich mit einer Hand übers Knie. »Bleibt das unter uns?«
»Wenn du willst«, erwidere ich.
Andrew senkt den Kopf. »Fitz«, gesteht er, »ich habe überhaupt nichts gedacht.«
Während ich in der Wüste unter einem Palo-Verde-Baum auf Delia und ihren Wunderhund warte, betrachte ich die ausgedörrte, rissige Erde und stelle mir alle möglichen Arten vor, wie ein Mensch hier sterben könnte.
Als erstes fällt mir natürlich Verdursten ein. Da meine Alibiflasche Wasser seit einer Stunde leer ist, kann ich mir in der sengenden Hitze dieser trockenen Wüste gut ausmalen, wie ich bis zum Delirium dehydriere. Die Zunge würde wie Watte anschwellen, die Augenlider würden festkleben. Ertrinken wäre mir -jetzt jedenfalls - lieber.
Ersticken, Erhängen, Schußverletzung - alles viel zu schmerzhaft. Aber Erfrieren ... das soll eine angenehme Art zu sterben sein. Mich in den Schnee zu legen und jedes Gefühl zu verlieren, würde in diesem Augenblick an ein Wunder grenzen. Und dann ist da natürlich noch der Märtyrertod, auf den ich jetzt verdammt schnell zusteuere. Immerhin brenne ich schon, wenn auch nicht für meine Überzeugungen. Tut verkohlendes Fleisch auf den Knochen weniger weh, wenn du weißt, daß du recht hast, auch wenn alle anderen denken, du hast unrecht?
Dieser Gedankengang führt mich direkt zu Andrew. Und dann schnurstracks zu Delia.
Ich glaube nicht, daß schon mal jemand an unerwiderter Liebe gestorben ist. Ich frage mich, ob ich der erste sein werde.
Als wir an der Tür geklingelt haben, drücke ich Delias Hand. »Bist du sicher, daß du dazu bereit bist?« frage ich.
»Nein«, sagt sie. Delia streicht Sophie die
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