Waisen des Alls
der Nähe befindliche Polymote, worauf eine Videoschleife der vergangenen ereignislosen Stunden in das Überwachungssystem eingespeist wurde. Dann machte sie Arkadij und Thorold ein Zeichen, und sie schlichen zum Eingang - im nächsten Moment glitt die Doppeltür auf, und die beiden Aufpasser bekamen hochwirksames Betäubungspulver ins Gesicht geblasen.
Julia las die Zeitanzeige des Analysepads ab - 2.18.35. Sie schaute zu, wie Arkadij und Thorold die bewusstlosen Gomedraner in den Aufenthaltsraum schleiften, dann nickte sie und schickte sie los. Sie würden etwa drei Minuten bis zur Schleuse brauchen, hinter der sich eines der drei Shuttles befand, die an der Sakrament angelegt hatten. Julias Plan sah vor, ihnen mit Irenja und Konstantin um 2 Uhr 20 zu folgen. Die Zeitverzögerung sollte es ihnen ermöglichen, im Notfall auf Plan B umzuschalten und die Rettungsboote anzusteuern.
Obwohl sie in weniger als dreißig Stunden über die Hälfte der Polymote verloren hatte, vermochte Julia noch immer die Bewegungen der meisten Angehörigen von Talaveras neunundvierzigköpfiger Besatzung zu verfolgen. Ein Abgleich mit dem Decksplan offenbarte besonders stark frequentierte Bereiche, Gänge, Toiletten, eine Kantine, die bemannten Stationen und gewisse Räume, die nur Talavera und wenige andere Personen aufsuchten. Der eine lag unmittelbar gegenüber von Talaveras Kabine, der andere im Technikbereich; der Zugang war jeweils mit einem Bioscanner gesichert, und beide zweigten eine Menge Strom vom Energienetz ab.
Mit Hilfe eines Polymots, das so am Türrahmen positioniert war, dass es an Kleidung haften blieb, wenn jemand den Raum betrat, erhielt Julia Einsicht in Talaveras Kabine. Eigentlich hatte sie mit kahlen Wänden und nur wenigen persönlichen Gegenständen gerechnet, doch über der Schlafkoje hing das Foto eines seltsamen Gebäudes, einer dunkelgrauen Kuppel, überragt von einem hohen Turm, aus dem lange Stacheln nach oben ragten. Julia erhaschte nur einen kurzen Blick darauf, als Talavera sich im Raum drehte, doch der Anblick prägte sich ihr unauslöschlich ein. Es gab noch andere persönliche Dinge, eine Gebetsrolle an der Wand, einen Kleiderhaufen auf einem Stuhl und ein paar Kosmetikfläschchen auf einem nüchternen Toilettentisch. In der Ecke stand ein Holoterminal, und davor nahm Talavera Platz und navigierte durch verschiedene Seiten. Dem Polymot war bis zuletzt durch den Oberarm die Sicht verdeckt. Dann sah Julia kurz den schirm, als Talavera das Gerät auch schon abschaltete. Offenbar hatte es sich um eine Multiplex-Datenbank mit Dutzenden von Namen und Zahlen in einer Julia unbekannten Sprache gehandelt.
Talavera erhob sich und wandte sich zur Tür, die vor ihr aufglitt. Sie ging zu dem geheimnisvollen Raum und legte die Handfläche aufs Lesegerät. Die Tür glitt in zwei Schichten auf, die Innentür öffnete sich diagonal. Im Raum spendeten nur die Standbyleuchten verschiedener Geräte ein wenig Licht. Julia bemerkte an der einen Wand mehrere längliche, dunkle Umrisse, dann drehte Talavera sich um und setzte sich vor eine breite, halbgeschlossene Konsole, die sich einschaltete, als sie ein paar Worte sagte. Julia hatte das Polymot angewiesen, auf Schulterhöhe zu klettern, und hatte dadurch freie Sicht, als Talavera einen Holomonitor aufrief und durch mehrere fremdartige, knollenartige,
geradezu pilzartige er blätterte, von denen einige kleine, leuchtende Punktmuster aufwiesen. Julia konnte sich auf all das keinen Reim machen, auch dann nicht, als sie in ihrem Kortexnetz ein paar Vergleichsmakros ablaufen ließ.
Talavera schüttelte ungeduldig den Kopf, schaltete die Konsole mit einem scharfen Befehl aus und trat zu einem der länglichen, dunklen Umrisse. Als sie ihn berührte, leuchteten eisblaue Bereitschaftsleuchten auf, und ein Muster von Schmucktafeln schaltete sich ein, in dessen mildem Licht sich eine schwarz glänzende, sanft geschwungene Verkleidung abzeichnete. Julia musste an die tödlichen Raketen denken, die sie aufgerüstet hatten, doch dann berührte Talavera einen unsichtbaren Schalter an der Seite, worauf sich ein Teil des breiteren Endes in zwei Schalenhälften teilte, die nach unten glitten. Zum Vorschein kam ein graues, gespinstartiges Futter mit einer Mulde für Kopf und Schultern und an der Seite ein glasartiges schwarzes Oval, das ein Holopad projizierte, auf dem Talavera sogleich herumtippte.
Das Ding war ein Ganzkörper-VR-Tank - Julia hatte bei ihren Sessions im
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