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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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ihren Sesseln, ohne einander anzusehen. Dann schnalzte Irenja ungeduldig mit der Zunge, erhob sich und nahm eines der Geräte vom Tisch.
    »Julia, sieh dir das mal an«, sagte sie.
    »Warum, was gibt’s?«
    Stirnrunzelnd stand Julia auf und ging zu Irenja hinüber, die ein blaugraues, kapselförmiges Gerät betrachtete. Ehe sie etwas sagen konnte, deutete Irenja erst auf ihre Lippen und dann auf den Apparat.
    »Wir haben auch eine gute Auswahl an Zentrifugen«, meinte sie und zeigte mit der Rechten auf mehrere Geräte mit gewölbtem Deckel.
    Mit der Linken aber deutete sie auf einen transparenten Würfel, der noch halb mit blauem Schaumstoff umwickelt war. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass es sich um eine Morphosezelle handelte, einen Behälter, in dem
sich mittels winziger Maschinen jedes beliebige Organ oder Körperteil eines genkartografierten Organismus herstellen ließ. Unter den Laborgerätschaften auf Zophor 3 war auch eine defekte, leere Zelle gewesen, und als sie das unvollständige Handbuch durchgingen, hatten sie sich überlegt, dass die winzigen Bauelemente, die sogenannten Polymote, sich eigentlich dahingehend umwandeln lassen müssten, damit sie auch außerhalb des Tanks verschiedene Aufgaben erfüllen konnten.
    »Das Teil scheint mir überflüssig zu sein«, meinte Irenja schelmisch und tätschelte den Würfel.
    »Ach, wer kann das jetzt schon sagen?«, erwiderte Julia. »Für irgendwas wird es schon zu gebrauchen sein.«
    Anschließend überlegten sie gemeinsam, wie sie das von Talavera gewünschte Toxin angehen sollten, während Julia sie in Zeichensprache über ihr Geheimprojekt informierte. Die gedrückten Mienen machten einem Lächeln Platz, und alle schalteten in den Experimentalmodus, bestimmten, wer welche Forschungsrichtung einschlagen, welche Geräte eingesetzt und welche zusätzlichen Materialien angefordert werden sollten und ob es in ihren theoretischen Kenntnissen irgendwelche Lücken gab. Julia wusste, dass der Eifer, mit dem sich ihr Team an die Umsetzung von Talaveras Auftrag machte, nicht geheuchelt war; die Getunten waren als Problemlösungsmaschinen konzipiert, dazu bestimmt, sich mit den verschiedenen Facetten und Mysterien wissenschaftlicher Fragen zu befassen. Sie hingegen musste so tun, als wäre sie ebenfalls mit Eifer bei der Sache, während sie in Wirklichkeit die Morphosezelle dazu brachte, das Benötigte zu produzieren.
    Gegen Morgen folgte die Zelle exakt ihren Vorgaben und modifizierte ein Drittel der gespeicherten dreihundert Polymote. Sie erhielten unter anderem eine gehärtete Hülle,
die sie befähigte, den Umweltbedingungen außerhalb des Würfels und der Gruppenunterkünfte zu trotzen. Jedes hantelförmige Polymot maß weniger als einen Millimeter im Durchmesser, war jedoch vollgestopft mit molekularen Datensystemen und Werkzeugen und verfügte über eine Energiequelle samt Rückstoßantrieb. Sie freizusetzen war einfach. Julia stellte einfach eine Schautafel neben ein Lüftungsgitter oder hob neben einer losen Verkleidung einen herabgefallenen Gegenstand auf. Um den Weg der Polymote zu verfolgen und sie zu dirigieren, benutzte sie ein heimlich umprogrammiertes Analysepad mit Kurzstrecken-Kurzwellensender. Alle Polymote begaben sich auf vorgegebenen Wegen zu bestimmten Zielen im Raumschiff, die meisten davon in der Nähe ihres Quartiers gelegen -Julia hoffte, auf diese Weise Zugang zu Talaveras Kabine zu bekommen und sich dort umschauen zu können.
    Allerdings war es unvermeidlich, dass ihre winzigen Spione unterwegs auf unüberwindbare Schwierigkeiten stießen. In den ersten vierundzwanzig Stunden trat mehrfach Totalverlust ein. 13 Polymote wurden zertreten, 5 in Waschbecken, Duschen und Toiletten fortgespült, 3 wurden übermalt, 8 von Türen zerquetscht, 9 von Wärmequellen beschädigt, 7 zusammen mit Müll ins Vakuum befördert, 2 gegessen. Weitere stellten ohne erkennbaren Grund die Arbeit ein, so dass ihr noch 21 Polymote blieben, um die dunklen Winkel der Sakrament zu erkunden und Talaveras Geheimnisse zu lüften.
     
    Es war 2 Uhr 15 Bordzeit, somit blieben noch zehn Minuten bis zum Übergang in den Normalraum. Das war der verabredete Zeitpunkt zum Handeln. Julia erhob sich im Dunkeln von ihrem Bett und schlich auf Zehenspitzen auf den trüb erhellten Gang, wo die anderen bereits in ihren
Kabineneingängen warteten. Zwei Gomedraner hielten vor dem Eingang zu ihrem Quartier Wache; mit dem Analysepad übermittelte Julia ein paar Befehle an mehrere in

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