Waisen des Alls
Arkadij, der ein, zwei Schritte abseits stand, den Waffenarm gesenkt hatte. Sie wurde von Verzweiflung überwältigt, doch als sie sich wappnete, um sich auf die
Waffe zu stürzen, ruckte Arkadijs Arm plötzlich nach oben, und die Waffenmündung zielte direkt auf ihr Gesicht. Er hatte weder die Körperhaltung geändert noch den Kopf bewegt.
»Periphere Sicht ist eine tolle Sache«, bemerkte Talavera. »Aber so ist das nun mal bei euch!« Sie deutete auf die Monitore, auf die Szenerie sich in Zeitlupe und starker Vergrößerung wiederholender Zerstörung. »Eure Arbeit war erfolgreich - ein großes Schiff wurde zerstört, das andere ist beschädigt und nahezu wehrlos.«
»Das Erdsphäre-Raumschiff ist noch … intakt?«, fragte Julia. »Wie ist das möglich?«
Talavera zielte mit der Fernsteuerung, worauf einige Monitore die Herakles zeigten, die am Bug und am vorderen Rumpfsegment Beschädigungen aufwies. Austretender Dampf und Flüssigkeiten eten Wolken aus Eiskristallen. Kleine Raumschiffe flogen darauf zu und feuerten Energiestrahlen ab, während sich das große Raumschiff langsam um die eigene Achse drehte.
»Scheint so, als hätten die Erdlinge die Annäherung der zweiten Rakete bemerkt und ein Ausweichmanöver eingeleitet, so dass sie in einem halben Kilometer Abstand detoniert ist, den Bug zerstörte und die Systeme und Waffen verschmorte. Im Moment könnten sie sich nicht mal gegen einen Rumpfschrubber wehren … aber seht euch das mal an.«
Auf dem Monitor hatte das Erdsphäreschiff die Rotation gestoppt. Nun zündete es den Hauptantrieb und beschleunigte, während es noch immer von den Raumschiffen der Armada attackiert wurde. Plötzlich wurde die Herakles in einen fließenden Schimmer gehüllt, der grell aufleuchte, einen Satz nach vorn machte und dann verblasste. Talavera schüttelte den Kopf.
»Das muss ich dem Captain lassen, er wusste, was er tat, als er den Rest des Schiffes mitsamt dem Antrieb mit dem Bug vor der Rakete abgeschirmt hat. Jetzt hat er sich in den Hyperraum davongemacht und überlässt das Feld dem Hohen Orden der Spiralprophezeiung!«
Julia blickte schweigend Arkadij an, der reglos wie eine Statue dastand und nach wie vor mit der Waffe auf sie zielte.
»Arkadij, was ist passiert?«, fragte sie. »Arkadij, wir sind doch deine Freunde …«
»Verhalte dich ruhig, setz dich, verhalte dich ruhig.«
Julia musterte Talavera eisig. »Was haben Sie mit ihm angestellt?«
Talavera lächelte durchtrieben. »Ach, er ist einfach zu mir gekommen, liebe Julia, und hat mir eure Pläne offenbart. Ich muss schon sagen, die Polymote sind ganz schön clever - dank eurer Vorarbeit werde ich eine Stange Geld damit verdienen!«
»Und warum ist er so seltsam?«
Talavera trat neben Arkadij und streichelte ihm lächelnd über das reglose Gesicht. »Der arme Junge hat sich’s wieder anders überlegt - anstatt Thorold zu überwältigen, ging er raus, um euch zu warnen. Das habe ich unterbunden und ihn mit ein paar Tricks überzeugt, sich an den ursprünglichen Plan zu halten.«
»Das ist keine Überzeugung!«, schrie Julia. »In der kurzen Zeit konnten Sie ihn unmöglich überzeugen!«
»Mein ganzes Schiff ist spezialisiert auf Überredungskünste!«, entgegnete Talavera lebhaft. »Die Methoden sind drastisch, das ja, aber wenn man eine neue Wirklichkeit erschaffen will, muss man sich schon Mühe geben, um überzeugend zu wirken. Aber du hast Recht - man kann in der kurzen Zeit nur dann eine solche Sinnesänderung
bewirken, wenn jemand anders das Steuer übernimmt. Oder etwas anderes.«
Sie nahm ein kleines dunkelblaues Fläschchen aus der Tasche und hielt es an einen der Leuchtstreifen an der Decke. In der Flasche war ein feines Pulver zu erkennen, bei dessen Anblick es Julia kalt über den Rücken lief.
»Die Hegemonie ist ja so innovativ«, fuhr Talavera fort. »Nanopartikel, die ins Gehirn vordringen und die Kontrolle über die Willenszentren und Teile der kognitiven Bereiche übernehmen. Diese Arbeitspferde sind noch eine ganze Größenordnung kleiner als eure Polymote. Wenn sie in großer Zahl zusammenarbeiten, können sie mühelos das normale Verhalten des Wirts simulieren.« Sie tätschelte Arkadij die Wange. »Ach, er ist immer noch da, hört und sieht alles. Er hat nur keine Kontrolle mehr über seinen Körper.«
»Was wollen Sie von uns?«, sagte Julia, die sich bemühte, das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken. »Wir kennen Ihre Geheimnisse. Wir wissen über die Behälter
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