Waisen des Alls
Uvovo-Kinder von den Städten und Dörfern im Südosten hatte man kurz nach der Ankunft der Brolturaner auf Niwjesta
dorthin geschickt. Zum Glück hatte Catriona vor ein paar Stunden veranlasst, dass sie in die ein paar Kilometer nordöstlich gelegenen Hafenstädte gebracht wurden.
Dann aber trafen panikerfüllte Nachrichten eines Lauschers aus Saatquellenglanz ein, der meldete, die Kinder wären immer noch da. Eine Gruppe älterer Gelehrter hatte beschlossen, die Aufforderung zur Räumung zu missachten, und nun rückten die Spiralfanatiker auf die Gartenbäume vor. Unterdessen hatte das brolturanische Kanonenboot den Kurs auf Saatquellenglanz geändert und verfolgte seine Beute.
Die Situation schien ausweglos. Inzwischen wurde Saatquellenglanz überstürzt geräumt, doch bis zum Eintreffen der Fanatiker würde man die Evakuierung nicht abschließen können. Die Verteidiger waren zahlenmäßig weit unterlegen, und die von Norden und Süden her anrückende Verstärkung würde zu spät eintreffen.
Kinder, dachte sie. Hunderte kleiner Uvovo … das ist meine Schuld, ich hätte es wissen müssen, hätte vorbereitet sein sollen …
Den Berichten zufolge schlachteten die Spiraleiferer alle ab, denen sie begegneten, und nach ihnen würden die Brolturaner kommen und Feuer auf den Wald herabregnen lassen …
Segrana, steh uns bei! Ihr verzweifelter Hilferuf schallte durch Segranas Seinsgespinst, und viele andere, Lauscher und eingestimmte Gelehrte, bekamen es mit. Hilf ihnen! Du hast die Macht dazu, Segrana, ich habe gesehen, welche Kraft in deinen Tiefen schlummert - willst du sie nicht einsetzen, um die Angriffe auf dich und deine Geschöpfe abzuwehren? …
Doch die Antwort blieb aus - da war nur angespanntes, in sich gekehrtes Schweigen.
Segrana, wenn du nicht deine ganze Macht einsetzen willst, lass mich es tun …
»Sie kann nicht … und sie darf nicht …«
Cat spürte die Anwesenheit eines uralten, weisen Wesens und nahm mit ihrem erweiterten Sehsinn ein flirrendes wahr, eine schemenhafte Kapuzengestalt, wie durch Nieselregen hindurch gesehen. In der tiefen Dunkelheit ihres Vudrons fragte sie sich, ob sie real war oder nur in ihrer Einung existierte.
»Pfadmeister«, sagte sie. »Wir müssen …«
»Die Kräfte und Energien, die du wahrgenommen hast, sind real«, sagte der alte Uvovo. »Aber sie zu beherrschen erfordert eine besondere Stärke, die weder du besitzt noch Segrana.«
»Sie hat die Vielaugen erwähnt.«
»Ja, ein alter, sehr alter Name für den Teil von ihr, der im Krieg der Langen Nacht geopfert wurde, ein Kriegergeist, der sie veranlasst hat, in die Unterreiche hinabzutauchen und die Seelenwurzeln der Traumlosen zu zerstören.«
»Ich brauche diese Macht«, sagte Cat. »Ich muss sie bekommen, Pfadmeister. Viele Leute werden sterben, Uvovo-Kinder … bitte, ich will das nicht auf mein Gewissen laden …«
»Die Risiken sind unüberschaubar«, erwiderte der Pfadmeister. »Du bist unerfahren. Die Folgen könnten subtil und furchtbar sein, du müsstest mit dem Tod rechnen, wenngleich die Erinnerung an dich weiterleben würde.«
»Könnte ich damit Segrana und die Uvovo verteidigen?«
er blitzten vor ihrem geistigen Auge auf, die in flackernden Energienetzen gefangenen Spiralfanatiker, die gelähmt zusammenbrachen, dann der brolturanische Transporter
und ein Dutzend weitere Raumfahrzeuge, die, alle in die gleiche Energie gehüllt, zu Boden glitten und in den Untiefen des Südmeeres wasserten.
»Das ist denkbar«, antwortete der Pfadmeister.
Sie zögerte keinen Moment. »Was muss ich tun?«
»Erinnere dich an den Moment, als du dein Bewusstsein bis an die Grenzen Segranas ausgedehnt und gespürt hast, wie die tief verborgenen Kräfte sich unter dir öffneten. Das musst du wiederholen, aber diesmal musst du dein Begehren nach unten zu dieser Kraft lenken, anstatt nach außen. Dann wird sich dir ihr gewaltiges Ausmaß offenbaren, und die Kräfte werden versuchen, sich durch dich zu bündeln. Dann wirst du sehen, ob du sie beherrschen kannst.«
Catriona wurde von Zweifeln erfasst, und beinahe hätte sie es sich wieder anders überlegt. Dann aber musste sie an ihre Freunde und Kollegen denken und vor allem an Greg. Und sie hätte jetzt, da womöglich das Ende nicht mehr fern war, gern gewusst, ob er etwas für sie empfand …
Zeigte sich da ein Anflug von Belustigung in dem kapuzenverhüllten Gesicht? Oder war es Mitleid?
»Seine Gefühle für dich«, sagte der Pfadmeister, »gleichen einer
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