Waisen des Alls
stirnrunzelnd das Holodisplay betrachtete und dann kopfschüttelnd die Hände hob.
»Das Ding ist kaputt«, sagte er zu einem seiner Kollegen. »Wir müssen den Rechner neu hochfahren … Moment, da tut sich was. Okay, Lieutenant, jetzt Ihre Netzhaut.«
Mit zitternder Hand drückte Theo einen Knopf am Kragen, worauf das Visier hochklappte. Er beugte sich vor, um sein Auge scannen zu lassen, und als auch diese Überprüfung positiv verlief, öffnete sich die Tür, und er trat hindurch. Auch Malachi und die anderen unterzogen sich
dem Scan. Sie alle hatten eine individuelle unsichtbare Hautimprägnierung, die es dem inzwischen gekaperten System erlaubte, sie als Graue Wächter zu identifizieren. Allein Gideon war korrekt identifiziert worden.
Ein paar Minuten später waren sie in einem Sitzbereich angelangt. Theos Visier war wie das der anderen noch immer hochgeklappt; er konnte nur hoffen, dass das Makeup ausreichte, um weitere Begegnungen zu überstehen.
»Zur Krankenstation gehen Sie den Gang entlang und dann rechts durch die Halle«, sagte der Wachmann.
»Danke, ich kenne den Weg«, erwiderte Theo.
»Und, Lieutenant, vergessen Sie das hier nicht.«
Der hinter einer offenen Theke stehende Wachmann warf ihm die Codekarte zu. Theo konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren; die Karte prallte gegen seine Obertaille und fiel auf den Boden. Der Blick des Wachmanns von der Schattenwache verhärtete sich, und seine beiden Kollegen blickten auf, als spürten sie die plötzliche Spannung.
»Haben Sie Probleme mit Ihren Hilfsarmen, Leutnant?«, fragte er.
»Nur mit Unhöflichkeit.« Theo bückte sich, hob die Karte auf und ging zur Theke. »Ist es bei der Schattenwache üblich, die Brüder anderer Kommandanturen auf diese Weise zu begrüßen?«
»Nein, aber ich …«
»Ah, dann beruht dieses empörende, beleidigende Verhalten auf Eigeninitiative! Ich werde Captain Horne melden, dass ein Soldat der Schattenwache seine Kommandantur durch Nachlässigkeit in Misskredit bringt …«
Ein Piepton ertönte, in einem der Holodisplays leuchteten rote und bernsteinfarbene Warnsignale auf. Der verärgerte Wachmann wandte sich ab und erkundigte sich in barschem Ton, was da los sei.
»Ein Fehler im Subsystem, Sergeant«, antwortete einer der Männer. »Die Erkennungsroutinen führen einen Virusscan durch.«
»In Ordnung«, sagte der Sergeant, dessen Hand zur Waffe an seiner Hüfte wanderte.
Es klickte mehrfach, und auf Hals oder Gesicht aller drei Wachleute tauchten rote Lichtflecken auf.
»Ganz ruhig«, sagte Theo. »Hände auf den Kopf und wegdrehen - na los!«
Kaum hatten sie die Anweisung ausgeführt, feuerten ihnen Theo und die anderen Sturmlöwen ein Betäubungsmittel in den Hals. Die Männer brachen lautlos zusammen.
»Gut gemacht, Theo«, sagte Gideon, riss sich die Fesseln ab und begann, dem größten der Wachleute die Uniform auszuziehen. »Ihr Befehlston klang richtig überzeugend.«
»Ich musste schon mehr Kadetten rüffeln, als ich mich erinnern kann«, erwiderte Theo. »Meistens reicht es schon, sie ein bisschen zusammenzustauchen, aber hin und wieder muss man auch den Knüppel hervorholen.«
Gideon, der sich an einem Holodisplay zu schaffen machte, lachte auf. Im nächsten Moment verstummte der Alarm, die roten und bernsteinfarbenen Warnzeichen erloschen. »Okay, das Virus ist noch aktiv, und das Commnetz wird noch etwa fünf Minuten lang ausgefallen bleiben, während ein Systemneustart vorgetäuscht wird. Theo und Malachi, übernehmen Sie mit Klein und Jones die Sicherheitsabteilung - zusammen mit dem Rest sperre ich die Garnisonsunterkünfte ab. Und denken Sie dran - heute gibt es keine Toten.«
Jetzt übernahm Malachi die Führung, nicht zuletzt deswegen, weil er sich von verschiedenen dienstlichen Aufenthalten
her hier auskannte. Vom Wartebereich senkte sich ein breiter Gang zu einem hohen Raum hin ab, der ähnlich heroisch ausstaffiert war wie das Dock: Schilde und Banner verschiedener Kommandanturen, strenge Statuen in Wandnischen und Spotleuchten, die sie ins rechte Licht rückten. Es war still, kein Mensch war zu sehen, und die beiden Gruppen gingen nun verschiedene Wege, die Visiere waren geschlossen, und die Stiefel knallten auf den glatten Fliesen.
Die Einnahme der Sicherheitsabteilung war ein Musterbeispiel der Taktik des Überwältigens und Unterwerfens. Mit einem unter der Tür hindurchgeschobenen Faserspion verschafften sie sich einen Überblick über Anzahl und Position des diensthabenden
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