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Wakolda (German Edition)

Wakolda (German Edition)

Titel: Wakolda (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Puenzo
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verrichtete.
    »Ich bin Pharmazeut«, sagte er dreimal laut, um korrekte Aussprache bemüht. »In meiner Freizeit … gehe ich am liebsten mit meinem Sohn in die Oper.«
    Das war eine Lüge. Er war es gewohnt, selbst dann auf der Hut zu sein, wenn er allein war. Er erinnerte sich nicht einmal mehr, wie sein Erstgeborener aussah. Auf dem einzigen Foto, das er von ihm besaß, war der Junge in einem Alter, in dem er gerade seine ersten Worte plapperte und von den Gräueltaten seines Vaters nicht das Geringste ahnte.
    Gerade wollte er die nächste Frage beantworten, da schreckte ihn der Schrei eines Mädchens auf. Er schob die vergilbte Gardine beiseite. Auf dem Parkplatz spielten ein paar Mädchen. Zwei von ihnen schwangen ein Springseil, ließen es immer schneller kreisen und sangen etwas, das nach einem Mantra klang, mit solch hypnotischer Hingabe wiederholten sie den monotonen Reim. Alle waren sie dunkelhäutig und dunkelhaarig, kleine Mischlinge, bis auf eine, ein wahres Prachtexemplar (sie war blond, hatte helle Haut und Augen), wäre da nicht ihre Körpergröße gewesen: sichtlich zu klein für ihr Alter, aber mit Gliedmaßen, deren Proportionen für eine Zwergin zu normal waren und zu groß, als dass sie als Minderwüchsige durchgegangen wäre. Das Mädchen, das er dort unten immer schneller über das Seil springen sah, war eine Herausforderung für sein liebstes Forschungsfeld: die Zwergwüchsigkeit, verstanden als beispielhafte Form der Anomalie. Die Kleine hatte einige arische Gene in sich aufgenommen, doch nicht genug, um ihre tierischen Züge ganz verschwinden zu lassen. Laborratten, die bis auf einen nicht hinnehmbaren Makel perfekt waren, faszinierten ihn mehr als alles andere.
    Als sich ihre Gegnerin geschlagen gab, rief das Mädchen, sie sollten noch weitermachen. Zu seinem Erstaunen passte ihre Stimme nicht zu ihrer Missbildung: Sie lag eine Oktave tiefer, als er gedacht hätte. Das Mädchen schien keine Angst davor zu haben, dass das Seil sie am Kopf oder an den Fersen treffen könnte.
    Sie schien überhaupt vor nichts Angst zu haben.
    Später dann sah er sie mit drei der dunkelhäutigen Mädchen auf dem Gehsteig sitzen und Payanas spielen. Genau genommen war sie es allein, die die kleinen, mit Reiskörnern gefüllten Säckchen mit einer Hand in die Luft warf, um sie dann mit derselben wieder aufzufangen; eine Payana nach der anderen landete darin. Er begann,
Addio alla vita
zu pfeifen, und nahm das Mädchen etwas genauer in Augenschein: Motorik und Reflexe schienen hervorragend, ja überdurchschnittlich gut ausgebildet. Jede ihrer Bewegungen zeugte von höchster Vitalität. Es war eindeutig: Die dunkelhäutigen Mädchen stammten aus dem Ort, die Blonde, die die anderen mit einem unbekannten Spiel in Bann hielt wie mit einer Zirkusnummer, war nicht von hier.
    »Abendbrot, Lilith!«
    »Ich hab keinen Hunger!«
    »Ich hab nicht gefragt, ob du Hunger hast, ich hab gesagt, du sollst zum Abendbrot kommen!«
    Ein etwa dreizehnjähriger Junge rief vom Moteleingang zu ihr hinüber. Er war genauso blond, gut gebaut und auf charmante Weise arrogant. Auch wenn die Maße dieses kleinen südamerikanischen Adonis perfekt waren, handelte es sich bei den zwei Kindern zweifellos um Geschwister. In diesem Augenblick hätte er einiges dafür gegeben zu wissen, wer die Eltern und Großeltern der beiden waren, dann hätte er den gesamten Stammbaum durchforsten können, um herauszufinden, ab welchem Punkt es mit der Rasse bergab gegangen war.
    »Alles in Ordnung, mein Herr?«
    Er drehte sich um. Der Motelbesitzer stand zigarrerauchend oben auf der Galerie und beobachtete ihn. Außer den zwei blonden Kindern schien sich alles in diesem Ort in Zeitlupe zu bewegen, benommen von der endlosen Weite der Wüste. Die Einheimischen, die ihre Stühle auf den Gehsteig hinausstellten, um ein paar Mate zu trinken, bevor die Dunkelheit sie in ihre Höhlen trieb, konnte er an diesem Abend an einer Hand abzählen.
    »Wenn Sie etwas zu Abend essen möchten … Hier in der Nähe gibt es eine Gaststätte.«
    »Wo denn?«
    »Immer geradeaus. Zwei Häuserecken weiter … Ist nicht zu verfehlen.«
    »Und die hat jetzt geöffnet?«
    »Die hat immer auf.«
    Aus dem Augenwinkel sah er das Mädchen auf sich zukommen, hüftschwenkend warf sie das Reissäckchen vor sich in die Luft, fing es wieder auf. Ihre Bewegungen waren anmutig wie die einer Tänzerin, als sei sie sich ihres Makels nicht bewusst. Von dieser Schamlosigkeit ging ein Zauber aus: Noch

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