Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
Morgenstern.
»Die Fahndung geht bundesweit raus. Da kommt er über keine Grenze.« Schneidt war in seinem Element.
Ganz der große General, dachte Morgenstern.
Eine halbe Stunde später brachte der Ingolstädter Regionalsender bereits, dass die Polizei wegen dringenden Tatverdachts nach Erwin Zachinger aus Biesenhard fahnde und die Bevölkerung um Hinweise bitte. Es sei allerdings erhöhte Vorsicht geboten, der Mann sei möglicherweise bewaffnet. Zuletzt sei er in Ochsenfeld im Landkreis Eichstätt gesehen worden.
»Morgen kommt unser Aufruf auch noch in der Zeitung«, teilte Schneidt seinen Ermittlern mit. »Dann wird es ganz, ganz eng für diesen Zachinger.«
»Wo er sich wohl verkrochen hat?«, rätselte Morgenstern. »Vielleicht bei einem seiner Biker-Freunde, mit denen er beim Boxkampf war?«
»Dann hätten wir schlechte Karten«, gab Hecht zu bedenken. »Solche Leute verpfeifen niemals einen der ihren an die Polizei. Egal was er getan hat.«
»Ja, die haben seltsame Vorstellungen von Ehre«, sagte Morgenstern nachdenklich. »Zusammenarbeit mit der Polizei, das ist für die Verrat. Denunziantentum.«
»Hoffen wir also auf die braven Bürger«, sagte Schneidt, dessen Optimismus ungebrochen war, und schickte seine Ermittler nach Hause.
Es war etwa einundzwanzig Uhr dreißig, als Morgenstern auf der Bundesstraße 13 durch den Wald ins Altmühltal hinabfuhr und den Ostrand der Stadt mit dem immer weiter wuchernden Gewerbegebiet erreichte. Schon von Weitem sah er, dass über dem Volksfestplatz ein Feuerwerk abgebrannt wurde. Die Lichter des Riesenrades und der Fahrgeschäfte waren abgeschaltet worden, der Platz lag im Halbdunkel, und darüber explodierten Hunderte, Tausende von bunten Raketen und Böllern. Wie viele andere Autofahrer auch, stellte Morgenstern seinen Wagen am Straßenrand ab, schaltete die Warnblinkanlage ein, stieg aus und sah sich das Spektakel an. Für eine Weile schien es, als brenne die ganze Bergflanke, ein andermal wurden riesige, rot leuchtende Herzen in den Nachthimmel geschossen, wo sie in glühende Splitter zerbarsten.
Vom Volksfestplatz war Johlen und Applaus zu hören, wenn den Zuschauern eine Raketenfolge besonders gefallen hatte. Schließlich wurde der Rhythmus der Raketen immer dichter, die Choreographie der Feuerwerker steuerte auf den abschließenden Höhepunkt zu. Ein Trommelfeuer von Raketen, begleitet vom ohrenbetäubenden Krachen der Böller, ging über dem Volksfestgelände nieder – und mit einem Mal war Schluss. Ein letzter, gewaltiger Böllerschlag hallte über das Altmühltal und brach sich an den Bergflanken, als wäre eine riesige Bombe in der Stadt explodiert. Dann folgte lang anhaltender Applaus. Der Platz lag nun in fast völligem Dunkel. Morgenstern stand wie gebannt neben seinem Wagen. Was für ein Spektakel, dachte er.
Ohne es zu wollen, schoben sich Bilder vom Irakkrieg vor sein inneres Auge, von den Luftangriffen der Amerikaner auf Bagdad, live übertragen im Fernsehen von CNN . Von einschlagenden Raketen, die mitten in der Nacht Zerstörung und Tod brachten und aus der Ferne nicht viel anders ausgesehen hatten als dieses friedliche, fröhliche Feuerwerk. Morgenstern wischte den Gedanken weg und war erleichtert, als in der Ferne die Lichter des Riesenrads wieder angeschaltet wurden.
DONNERSTAG
Am nächsten Vormittag herrschte im Präsidium nervöse Spannung. Morgensterns Telefondurchwahl war im Donaukurier abgedruckt worden, das hatte der Spätdienst der Redaktion auf persönliches Bitten des Polizeipressesprechers noch möglich gemacht. Und nun saß der Oberkommissar zusammen mit Peter Hecht vor dem Apparat und starrte ihn an wie die Schlange das Kaninchen.
»Nun läute endlich, du verdammtes Ding«, fluchte Morgenstern und übte sich weiter in Hypnose.
Hecht sah ihn kopfschüttelnd an. »So etwas kann man nicht erzwingen.« In diesem Moment klingelte das Telefon.
Mit einem Ruck nahm Morgenstern den Hörer ab, während Hecht die Aufnahmetaste drückte, um das Gespräch mitzuschneiden.
»Kriminaloberkommissar Morgenstern, Kripo Ingolstadt«, meldete er sich.
Es blieb einen Augenblick still in der Leitung, dann war eine zögernde Frauenstimme zu hören: »Sind Sie der Kommissar, der nach diesem Zachinger sucht?«
»Richtig, der bin ich.«
»Der mit den Cowboystiefeln oder der andere?«
»Woher wissen Sie das? Ja, ich bin der mit den Stiefeln.«
Die Frau machte wieder eine kurze Pause, als wollte sie sich die Sache noch einmal durch den Kopf
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