Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
tatsächlich: Schon nach kurzem Suchen fand er auf der Homepage des Donaukurier eine ganze Flut von Fotos vom vergangenen Eichstätter Volksfestsonntag. Die besten Motive hatte Morgenstern schon in der gedruckten Montagsausgabe der Zeitung gesehen, aber im Unterschied zur Tageszeitung hatte das große, weite Internet Platz selbst für die verwackeltste Aufnahme.
Klick, klick, klick – systematisch filzte Morgenstern die Fotos vom Boxkampf. Etwa ein Dutzend Bilder zeigte, wie sich die Staffel der Gastgeber gegen die Sportler aus Tschechien blutige Nasen holte. Der Boxring war auf einem Podium in der Mitte des Bierzelts errichtet worden, und der Fotograf hatte seine liebe Not gehabt, die ständig in Bewegung befindlichen Boxer einigermaßen einzufangen. Vielleicht dreihundert Zuschauer, so Morgensterns Schätzung, umlagerten den Ring. Fast ausschließlich Männer, die mit vor Aufregung und vormittäglichem Biergenuss geröteten Gesichtern mit der Heimmannschaft mitfieberten. Manche waren von ihren Tischen aufgestanden und feuerten die Boxer gestenreich an.
»Wer von euch ist mein Mann?«, murmelte Morgenstern. Und wieder überfiel ihn die Sorge: Hoffentlich sitzt da nicht der alte Schreiber.
Doch von Schreiber war weit und breit nichts zu sehen. Und eines war Morgenstern klar: Nach allem, was er über Schreiber senior erfahren hatte, war der kein Mann für die zweite Reihe, für die billigen Plätze gewesen. Wenn er im Festzelt gesessen hätte, dann ganz vorne mit unverstellter Sicht auf den Boxring.
Klick, klick, klick – wieder und wieder blätterte er sich durch die Fotos. Dreihundert Zuschauer – unter ihnen womöglich der spätere Mörder. Wer von ihnen war zehn Stunden später, nach Einbruch der Dunkelheit, am Rande des Sauparks gewesen und hatte den Jäger Matthias Schreiber ins Visier genommen? Hochkonzentriert studierte Morgenstern Gesicht um Gesicht.
»Ich kriege dich!«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Irgendwo hier musst du stecken!«
Die optimal erkennbaren Besucher hatte er längst ausführlich unter die Lupe genommen. Jetzt betrachtete er auch die Männer, die gerade aus ihrem Bierkrug tranken, sich zur Seite gedreht hatten oder fast zur Gänze von anderen Boxfans verdeckt waren.
Klick, klick – Moment! Morgenstern schlüpfte fast in den Computer, so nahe ging er mit der Nase an den Bildschirm heran. Auf dem vorletzten Bild, weit hinten, war eine Gruppe Männer zu sehen, die mit ihren Lederjacken wie Mitglieder eines Motorradclubs wirkten. Und mitten unter ihnen, vor einer Maß Festbier, saß ein stämmiger Mann, dessen Konturen zwar ziemlich unscharf waren, der aber doch eindeutig zu erkennen war: markante Koteletten, eine steil nach oben ragende schwarze Haartolle – Erwin »Elvis« Zachinger.
Morgenstern jubelte innerlich. Dann stand er auf, ging zum Telefon und wählte die Privatnummer seines Kollegen Peter Hecht.
»Ich bin’s, Mike!«, rief er triumphierend in den Hörer. »Komm sofort in die Zentrale nach Ingolstadt! Ich sage nur ein Wort: Großfahndung!«
Morgensterns neueste Erkenntnisse lösten im Polizeipräsidium helle Aufregung aus. Polizeidirektor Adam Schneidt kam fast gleichzeitig mit Peter Hecht im Präsidium an.
»Endlich geht in dieser Sache etwas voran«, lobte er, nachdem Morgenstern ihm das Boxkampfbillett präsentiert hatte. »Ihre gewilderte Gams war als Indiz zwar nicht schlecht, aber noch nicht ausreichend. Reines Glück, dass wir am Montag den Durchsuchungsbeschluss vom Richter bekommen haben. Aber nun sieht das alles sehr viel besser aus.«
Wenige Minuten später kam aus dem Labor der positive Bescheid: Einer der Fingerabdrücke auf der Eintrittskarte stammte von Erwin Zachinger. Die Spurensicherung hatte bei der Hausdurchsuchung in Biesenhard einen Kamm aus dem Badezimmer mitgenommen, auf dem sich genügend Abdrücke als Vergleichsmaterial und zudem einige schwarz glänzende Haare für einen eventuell nötigen DNA -Test gefunden hatten.
»Jetzt können wir der Presse endlich einen Erfolg melden«, sagte Schneidt. »Ich gehe noch heute übers Lokalradio an die Öffentlichkeit und bitte die Bevölkerung um Hinweise.«
»Halten Sie das für klug?«, fragte Hecht mutig.
»Aber natürlich. Wir erhöhen systematisch den Druck auf diesen Zachinger. Ich bin mir sicher, dass er sich freiwillig stellt, wenn er merkt, dass sich die Schlinge zuzieht. Vorausgesetzt, er kann irgendwo Radio hören.«
»Und wenn er sich ins Ausland absetzt?«, fragte
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