Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
dann wandte sie sich in die andere Richtung, wo die Türme der Altstadt und in der Ferne ein Teil der Willibaldsburg zu erkennen waren.
    Morgenstern räusperte sich. »Frau Zinsmeister. Wir haben vorhin eine wichtige Neuigkeit erfahren, etwas, das ich am Mittag bei meinem Besuch bei Ihnen noch nicht wusste. Deswegen habe ich Herrn Hecht nach Eichstätt gebeten, und deswegen müssen wir jetzt mit Ihnen sprechen.«
    »Eine Neuigkeit, die so wichtig ist, dass Sie mich deswegen extra aus dem Festzelt holen?«, fragte Walburga Zinsmeister und wirkte beunruhigt. »Was ist das für eine Neuigkeit?«
    »Wir wissen nun, mit welcher Art Waffe Matthias Schreiber erschossen wurde.« Er machte eine kurze Pause und sah Walburga Zinsmeister durchdringend an. »Sag du es ihr, Peter.«
    Hecht fixierte Walburga Zinsmeister nun ebenfalls wie die Schlange das Kaninchen. »Es war ein alter Karabiner der Wehrmacht.«
    »Aha«, sagte Walburga Zinsmeister unbeeindruckt. »Wehrmacht.« Sie wandte den Blick wieder ab und schaute hinüber zur Altstadt. »Und was hat das mit mir zu tun?«, fragte sie, ohne die Kommissare anzusehen.
    »Ich habe heute in Ihrem Haus zufällig etwas gefunden, das sehr gut dazu passt«, antwortete Morgenstern vage. »Deswegen frage ich Sie: Besitzen Sie eine Waffe aus dem Zweiten Weltkrieg?« Hecht hatte seinen Notizblock auf die Knie gelegt und einen Kugelschreiber gezückt.
    Walburga Zinsmeister schwieg, während die Gondel stetig sank und anschließend wieder in die Höhe stieg.
    »Frau Zinsmeister, nun geben Sie es schon zu«, forderte Morgenstern unwirsch. »Oder soll ich Ihrer Erinnerung nachhelfen? Ich war heute Mittag auf Ihrer Toilette, mir war Ihre Blutwurst nicht recht bekommen. Eine sehr altmodische Toilette übrigens. Fast schon antik. Seit Jahrzehnten unverändert. Nie eine neue Spülung, nie ein neuer Boden, nie ein neues Dielenbrett. Das perfekte Versteck.«
    Die alte Frau sah immer noch aus der Gondel, jetzt hinab auf die Buden und das Festzelt.
    »Ich weiß nicht, wie Sie das herausgefunden haben. Es war wirklich ein guter Platz. Niemand hat ihn je entdeckt«, flüsterte sie schließlich. »Nicht einmal mein Sohn Gottfried weiß davon … dass ich ein Gewehr im Haus habe.«
    »Donnerwetter«, entfuhr es Hecht. »Es stimmt also tatsächlich! Ich hätte es meinem Kollegen beinahe nicht geglaubt. Was ist das für ein Gewehr? Wo haben Sie es her?«
    Walburga Zinsmeister schloss die Augen. »Wo ich es herhabe? Das ist eine lange Geschichte. Um sie zu erzählen, werden zwei Runden Riesenrad nicht reichen.«
    »Wir verlängern, bis Sie fertig sind«, versprach Morgenstern. »Hier in der Gondel sind wir ungestört.«
    »Also, was ist das für ein Gewehr?«, drängte Hecht und wedelte kurz mit seinem Block.
    Und Walburga Zinsmeister begann mit geschlossenen Augen zu berichten, umgeben vom Lärmen der Musik aus den Fahrgeschäften, von den Klängen der Blasmusik, die gedämpft aus dem Festzelt tönte, eingehüllt in den Duft von Bratwürsten, Grillhähnchen und gebrannten Mandeln, der über den Platz wehte.
    »Es war Anfang 1945, und allen bis auf ein paar Sturköpfen war klar, dass der Krieg verloren war. Ich arbeitete als Helferin in einem der Lazarette, die für die verwundeten Soldaten von allen Fronten in Eichstätt eingerichtet waren. Mein Lazarett war in der Jugendherberge am Burgberg. Kennen Sie die?«
    Morgenstern nickte. »Das haben Sie mir heute Mittag schon erzählt.«
    »Jeden Tag kamen neue Verwundete mit der Eisenbahn, und eines Vormittags, ich erinnere mich noch wie heute, brachten sie uns Henning. Er hatte an der Front in Italien einen Granatsplitter abbekommen. Sein rechtes Knie sah ziemlich übel aus, aber ansonsten ging es ihm gut. Er kam in voller Ausrüstung zu uns, wir sollten ihn zusammenflicken und dann wieder in den Krieg schicken. Henning.«
    Sie schwieg eine Weile, während sich das weiß lackierte Eisengestänge des Riesenrads ungerührt weiter drehte. Wie das Rad der Welt, dachte Morgenstern, das Rad, das sich immer weiter dreht, ganz gleich, was mit den Menschen geschieht, die winzig wie Ameisen am Boden herumlaufen.
    »Nach ein paar Wochen ging es ihm besser, aber ich gab ihm den Rat, sich das nicht anmerken zu lassen. Wir hatten uns angefreundet, müssen Sie wissen, und nach einer Weile wurde mehr daraus. Liebe. Wahre Liebe.« Sie lächelte vorsichtig.
    »Henning kam aus dem Norden, aus Hamburg, und eines Tages erfuhr er, dass sein Elternhaus zerbombt worden war und seine

Weitere Kostenlose Bücher