Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
mitzusummen: »Schützenliesl, dreimal hat’s gekracht, dam dam dam, Schützenliesl, du hast mir das Glück gebracht …«
»Schnauze«, zischte Morgenstern. »Komm lieber mit.«
Mit gemessenen Schritten gingen sie zu dem Biertisch, an dem Walburga Zinsmeister und sechs weitere alte Damen saßen und sich angeregt unterhielten. Die Frauen blickten neugierig auf, als die beiden Kommissare an die Stirnseite des Tisches traten.
»Dürfen wir Ihnen kurz die Frau Zinsmeister entführen?«, flötete Morgenstern so charmant wie möglich in das Damenkränzchen.
Walburga Zinsmeister sah ihn erstaunt an. »Sie schon wieder?« Dann gab sie sich einen Ruck, nahm einen letzten großen Schluck aus ihrem Maßkrug, erhob sich und verließ mit den beiden Männern den Tisch. Augenblicklich setzte neugieriges Tuscheln unter den verbliebenen Seniorinnen ein.
»Wir müssen uns noch einmal mit Ihnen unterhalten, und hier im Zelt ist es zu laut«, sagte Morgenstern und deutete auf die Musikkapelle. »Lassen Sie uns ins Weinhäusl rübergehen«, schlug er vor. Bei seinen früheren Volksfestbesuchen war ihm auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes ein großes, auf rustikal getrimmtes Gebäude aufgefallen, in dem abends vor allem Wein ausgeschenkt wurde, das am Nachmittag aber mit Kaffee und Kuchen aufwartete, das sogenannte Weinhäusl. »Darf ich übrigens vorstellen, das ist mein Kollege Oberkommissar Peter Hecht, der gemeinsam mit mir im Mordfall Matthias Schreiber ermittelt.« Er klopfte seinem Kollegen, der direkt neben ihm stand, auf die Schulter.
Langsam gingen sie durch die Budengasse, vorbei am Autoskooter, an der Losbude des Roten Kreuzes mit dem aufschneiderischen Schriftzug »Glückshafen«, an den Schiffschaukeln, einem Schnapsstand mit roten Stehtischen und einem Fahrgeschäft namens »Breakdance«, in dem jetzt am Nachmittag nur einige wenige Kinder und Jugendliche in schwindelerregender Geschwindigkeit im Kreis herumgewirbelt wurden.
»Kommen Sie, staunen Sie, ja hier geht es wieder rund. Bei uns geht die Post ab«, tönte eine ölig-samtene Stimme aus den Lautsprechern des Fahrgeschäfts. Die Stimme gehörte einer reiferen blondierten Dame, die im Kassenhäuschen des »Breakdance« saß und deren völlig teilnahmsloser Gesichtsausdruck in krassem Gegensatz zu den hingehauchten Ankündigungen vom »grenzenlosen Rausch der Geschwindigkeit« stand.
Walburga Zinsmeister hatte bisher noch kein Wort gesprochen, doch nun, kurz vor dem Weinhäusl, wandte sie sich Hecht zu. »Müssen wir unbedingt da rein? Ich wüsste einen Platz, der mir viel lieber wäre, wenn Sie sich schon mit mir unterhalten wollen.«
»So, welchen denn?«, fragte Hecht zurück.
Die alte Frau deutete auf das Riesenrad, das Wahrzeichen der Eichstätter Wiesn, das sich direkt neben dem Weinhäusl gleichmäßig drehte und zu dieser Uhrzeit völlig leer war. Silbern glänzten die kleinen Metallgondeln in der Sonne.
»Das Riesenrad?«, fragte Hecht ungläubig und sah Morgenstern fragend an.
»Ich bin noch nie damit gefahren«, sagte Walburga Zinsmeister leise. »Ich war mein ganzes Leben lang sehr sparsam.«
Morgenstern zückte seinen Geldbeutel. »Der Wunsch lässt sich leicht erfüllen«, sagt er, ging über eine kleine Rampe zum Kassenhäuschen des »Orion« und kaufte drei Fahrscheine. »Ach, geben Sie mir besser gleich sechs, dann können wir, wenn wir wollen, gleich noch eine Runde dranhängen.«
An der Kasse hing ein Pappschild »Junger Mann zum Mitreisen gesucht«, und solch ein junger Mann, mit fettigem Haar, Zigarette im Mundwinkel und reich tätowierten Unterarmen, öffnete ihnen den kleinen Einstieg in die Gondel.
Die Kabine war winzig und im Wesentlichen ein hüfthoher runder Metalltopf mit einer umlaufenden Bank, gekrönt von einem bunten schirmartigen Dach, ebenfalls aus Metall. Morgenstern staunte, wie gering offenbar das Sicherheitsbedürfnis der meisten Menschen war. Ihm persönlich war die Außenwand der Gondel viel zu niedrig, und er musste sich zusammennehmen, um in seiner Fantasie nicht einen seiner zappeligen Buben aus dieser Gondel herauspurzeln zu sehen.
»Immer schön festhalten«, sagte er sicherheitshalber und erntete dafür sowohl von Hecht als auch von Walburga Zinsmeister erstaunte Blicke. Angetrieben von mehreren starken Motoren setzte sich das Rad in Bewegung, und in kurzer Zeit waren sie oben angekommen.
»Ist das nicht herrlich?« Walburga Zinsmeister deutete über den Festplatz und weit hinab ins Altmühltal,
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