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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Willibaldsburg wimmelte es von SS . Die hatten sich da oben eingenistet.«
    Morgenstern erinnerte sich an das Gespräch mit der alten Nonne in St. Walburg. »Aber die Brücke ist doch gesprengt worden! Das hat mir eine alte Klosterschwester erst heute früh erzählt.«
    »Richtig, sie ist gesprengt worden.« Die alte Frau machte wieder eine lange Pause und schaute dabei gedankenschwer auf das Bierzelt.
    »Sie waren zu dritt. Mein Henning und noch zwei andere. Und sie waren so stolz auf das, was sie getan hatten, dass sie sich wenige Stunden nach ihrer waghalsigen Aktion in eine Wirtschaft setzten, um eine Halbe auf ihren Erfolg zu trinken. Bis dahin hatte noch niemand etwas bemerkt.«
    Sie seufzte schwer. »Wäre er doch bei mir geblieben. Das war natürlich eine Riesendummheit. Sie wurden belauscht. Am Nachmittag, um drei Uhr, kam auf einmal ein SS -Kommando mit drei Mann zu uns ins Lazarett und fragte nach Henning. Er lag längst wieder in seinem Krankenbett, aber das scherte die Männer nicht. Sie müssten sich mit ihm unterhalten, sagten sie und nahmen ihn mit. Henning winkte mir kurz zu und sah mich so seltsam an. Er war ganz blass, aber ruhig. Und dann gingen sie.«
    Morgenstern sah, dass ein Schauer die Frau durchfuhr. Sie kramte nach einem Taschentuch und wischte sich über die Augen.
    »Er kam nicht wieder«, sagte sie leise und begann zu schluchzen.
    »Wohin haben sie ihn gebracht?«, fragte Hecht.
    »Hinauf auf die Burg, wo schon die anderen beiden waren. Und am Abend wurden sie aufgehängt, alle drei. Wegen Sabotage. Mitten in der Stadt, auf dem Leonrodplatz. An einem Baum.«
    »Oh mein Gott«, entfuhr es Morgenstern.
    »Ich selbst war nicht dabei. Ich habe die Kraft nicht aufgebracht. Aber andere haben zugesehen und es mir erzählt. Und ich habe so getan, als ginge mich das nichts an. Als wäre Henning nur ein ganz normaler Verwundeter gewesen. Man hat ihnen Pappschilder umgehängt, auf denen stand, dass sie Verräter seien. Dann durften sie noch eine Zigarette rauchen. Man hat sie unter einem Baum, einer großen Linde, auf Stühle gestellt, die Schlinge um den Hals, die Hände auf dem Rücken gefesselt, und die Stühle dann weggestoßen. Dann hing er da, mein Henning. In der Nacht ist die Spitalbrücke gesprengt worden. Und am nächsten Tag später sind die Amerikaner eingerückt.«
    Walburga Zinsmeister brach in hemmungsloses Schluchzen aus und tupfte sich wieder und wieder die feuchten Augen mit ihrem Taschentuch.
    Die beiden Kommissare schwiegen lange, während sich das Riesenrad drehte und drehte und die Gondel sich hob und senkte wie die Brust eines riesigen, gleichmäßig atmenden Tieres. Hecht war es schließlich, der die Stille durchbrach.
    »Und dieses Gewehr, das war sein Karabiner, nicht wahr?«
    »Ja. Seine Sachen waren im Lazarett, in einem Spind. Ich weiß selbst nicht, warum ich diese Waffe mit nach Hause genommen habe. Ich habe das Gewehr heimlich in unser Haus geschafft und versteckt, so gut, dass es meine Eltern nicht finden konnten. Erst auf dem Dachboden und später unter dem Fußboden in der Toilette. Niemand wusste davon.«
    »Aber das Gewehr ist nicht mehr da«, sagte Morgenstern. »Unter der Diele lag nur noch Hennings Waffenputzzeug.«
    »Nein, das Gewehr ist nicht mehr da«, bestätigte Walburga Zinsmeister und presste die Lippen zusammen, so als wolle sie den Kommissaren klarmachen, dass sie dazu nichts weiter sagen wollte.
    Unten hatten sich nun neue Passagiere eingefunden. Das Riesenrad bremste, und ein junges Paar mit einem etwa fünfjährigen Kind, einem blond gelockten Jungen, stieg in eine der Gondeln ein. Der »Orion« nahm wieder Fahrt auf, und Morgenstern sah, wie der Junge begeistert nach unten auf das Gewimmel des Festplatzes deutete. Eine fröhliche, heile Familie, dachte er. Eine Familie ohne finstere, herzzerreißende Geheimnisse. Aber am Ende, so hatte ihn sein bisheriges Berufsleben gelehrt, hatte doch fast jede Familie ihre dunklen Flecken, ihre Tabus, über die höchstens hinter vorgehaltener Hand getuschelt werden durfte. Hatte nicht jede Verwandtschaft ihre »Leichen im Keller?« Gab es überhaupt so etwas wie eine heile Familie?
    »Frau Zinsmeister«, sagte Morgenstern schließlich. »Sie haben einen Sohn. Sagen Sie mir bitte, wie alt er ist?«
    Sie sah ihn an, und ihr Blick war trotz der vielen Tränen klar. »Ich sehe, Sie haben verstanden. Mein Sohn ist im Oktober 1945 auf die Welt gekommen. Hennig war sein Vater. Ich habe dem Kind den Namen Gottfried

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